Unsere Bundesverfassung verfügt über keinen geschlossenen Grundrechtskatalog. Gerade aber die Grund- und Freiheitsrechte sind ein zentraler Baustein einer demokratischen Republik. Ihr Standard ist in Wirklichkeit die Messlatte für den Demokratiestandard eines Staates.
Es gibt seit Jahrzehnten – und Generationen von Verfassungsrechtlern sind in diesen Sitzungen grau und pensionsberechtigt geworden – Bemühungen, einen neuen, umfassenden Grundrechtskatalog zu entwickeln. Diese Bemühungen, die bisher nicht zu einem Ergebnis geführt haben, sollten deshalb keineswegs aufgegeben werden, ganz im Gegenteil, sie sind noch intensiver fortzusetzen.
Österreich ist zwischenzeitlich – da hat uns die verfassungsrechtliche Entwicklung in anderen Staaten einfach überholt – zu einem der ganz, ganz wenigen Staaten in der Europäischen Union geworden, in denen es keine ausdrücklichen sozialen Grundrechte im Verfassungsrang gibt, obwohl die sozialen Leistungen des Staates das Leben der einzelnen Bürger mindestens im gleichen Ausmaß prägen wie die von den klassischen Grundrechten geprägten und umfassten Vollzugsbereiche.
Diese Frage hat keine theoretische, sondern eine höchst praktische Bedeutung, und ich hoffe, dass die Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP mich jetzt nicht missverstehen, wenn ich mich ausdrücklich an sie wende.
Es geht darum, auch unseren Regierungspartner dafür zu gewinnen, soziale Grundrechte in den Grundrechtskatalog der österreichischen Verfassungsordnung einzubauen – nicht nur, weil wir da gegenüber anderen Staaten hinterherhinken, sondern insbesondere deswegen, weil auch unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger einen verfassungsrechtlichen Standard für die so wichtigen sozialen Rechte bekommen müssen.
Diese Grundrechte sind nichts Linkes und nichts Sozialistisches, sie sind eben auf dem europäischen Niveau in der Zwischenzeit Standard geworden. Es wäre in höchstem Maße bedauerlich, wenn Österreich, das in so vielen Bereichen an führender Stelle im Ranking der europäischen Staaten liegt, gerade in diesem zentralen Bereich zum Schlusslicht werden würde.
Das Gebäude unserer Verfassung ist niemals ganz fertig gebaut, aber dieser Bauteil ist von höchster Dringlichkeit. Ich lade Sie ein, Maurerkelle, Mörtel und Ziegelsteine in die Hand zu nehmen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)
12.41
Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Schennach: Ob jetzt der Maurer kommt?!)
12.41
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Professor Konecny, unsere Innungsmeister der Wirtschaftskammer werden Sie wahrscheinlich entsprechend freudig empfangen und ehren, von mir ist es vielleicht ein bisschen viel verlangt, dass ich hier jetzt mit Mörtel, Hammer und Kelle unterwegs sein soll. Das ist nicht unbedingt mein Metier. (Bundesrat Konecny: Ich bin auch mit Verfassungstexten zufrieden!) Aber wenn Sie schon einen sozialen Grundrechtskatalog oder Standards einfordern, dann sind wir gerne dabei, nur einen Vorschlag müsste man schon machen, und ein betreffendes Papier brauchen wir auch. Dann kann man darüber reden. (Bundesrat Konecny: Okay, nicht Mörtel, sondern Papier!)
Das hat auch nichts damit zu tun, dass die rechte Seite nicht 100-prozentig vertreten ist. Man kann auch mit wenigen Leuten die Qualität hochhalten, Herr Professor. Schau-
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