BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 52

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öffentliche Mittel dort einzusetzen, wo die Privatwirtschaft versagt hat, aber nicht, um der Privatwirtschaft Geschenke zu machen – selbstverständlich nicht! –, sondern um dafür zu sorgen, dass das Werkel sich weiter dreht. Und dafür brauche ich Hilfen, dafür brauche ich vor allem Garantien, weil Wirtschaft von allem anderen abgesehen vor al­lem Psychologie ist. Es geht um Vertrauen, um Vertrauen zwischen den Banken, es geht um Vertrauen in die Bonität von Industrieunternehmen, und hier hat der Staat eine Aufgabe, was auch jene anerkennen, die über viele, viele Jahre dem unsinnigen Slo­gan „Mehr Privat, weniger Staat“ nachgelaufen sind. Nein, wir brauchen mehr Staat, vor allem dann, wenn es ernst wird!

Der „Spiegel“ hat in einem Artikel vor 14 Tagen ein mir zwar bekanntes, aber von mir vergessenes Zitat von John Maynard Keynes ausgegraben. (Bundesrätin Zwazl spricht mit ihrer Sitznachbarin.) – Frau Präsidentin, passen Sie auf, damit Sie protestieren können! – „Der Kapitalismus“, sagt John Maynard Keynes, „basiert auf der merkwürdi­gen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.“

Das ist die berühmte „invisible hand“. So lange sich das Werkel dreht, fallen nicht gera­de Dividenden, aber Boni sozusagen für viele Menschen ab. Wenn sich das Werkel nicht dreht, weil es überhitzt ist – und das haben wir erlebt –, dann fallen die, die dort beschäftigt sind, die, die von dieser Wirtschaft als unselbständig abhängig sind, auch bis weit hinauf, aus dem Rad heraus. Dann dreht sich das nur mehr im Leerlauf und produziert nur mehr eines: Abfall.

Und das ist genau der Punkt, den wir erreicht haben. (Bundesrätin Zwazl: Aber die Un­ternehmer sind an dieser Krise nicht schuld! – Bundesrat Mag. Himmer: Aber wider­wärtige Menschen gibt es im Kommunismus auch!) Ach, das bestreite ich überhaupt nicht! Widerwärtigkeit ist keine politische Etikette – und schon gar nicht für meinen lie­ben Koalitionspartner. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Also, ich habe ganz offensichtlich einen bloßliegenden Nerv getroffen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Ich habe gar nichts gesagt – ich habe John Maynard Keynes zitiert. Und in aller Beschei­denheit: Mit dem würde ich mich als Ökonom nicht unbedingt vergleichen, aber viel­leicht hast du dieselbe Hemmung, mein Lieber.

Meine Damen und Herren, das ist eine nationale Kraftanstrengung. Das bedeutet aku­te Belastungen, und das wird Belastungen in der Zukunft bedeuten, auch wenn wir guter Hoffnung sein können, dass nicht alles, was heute an Haftungen übernommen werden muss, morgen auch schon Geld kostet. Es geht ja um Vertrauensstärkung, wie ich schon sagte, aber es geht um das vorrangige Ziel.

Die Weltwirtschaftskrise der zwanziger und dreißiger Jahre war deshalb so verhee­rend, weil genau dieses Gegensteuern damals gezielt und bewusst in den meisten europäischen Staaten unterlassen wurde, und anfangs auch in den USA. Damals wur­de gespart nach dem Motto: Tut uns leid, wir haben keine Einnahmen, daher müssen wir auch noch Beamte entlassen, daher müssen wir Gehälter kürzen und Ähnliches mehr. – Das hat nichts dazu beigetragen, die Länder aus der Krise zu bringen – auch nicht Österreich damals –, sondern die Länder sind immer tiefer in die Krise gesunken.

Den einzigen wirklichen Ansatz haben damals die USA gefunden mit ihren großen öf­fentlichen Bauvorhaben, mit den großen Kommunikationsnetzen, die über das Land gezogen wurden und die natürlich auf Pump finanziert wurden. Aber sie haben damit sich selbst und die Weltwirtschaft wieder auf die Beine gebracht. – Vom Krieg will ich in dem Kontext nicht reden; der ist dann später in anderen Ländern als ein besonders wi­derwärtiger Konjunkturfaktor eingesetzt worden. Aber die Gesundung der Weltwirt­schaft ist damals von einem Deficit-Spending-Programm ausgegangen, das ewig mit dem Namen Roosevelt in Verbindung stehen wird.

 


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