BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 91

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Ja, das ist tatsächlich bedauerlich, und genau da setze ich jetzt aber an: Dort gehen die 14-Jährigen hin. Da haben wir keine frühe Selektion mit 10 Jahren, sondern dort gehen die hin, die schon 14 Jahre sind und trotzdem – nach ihrem Dafürhalten jeden­falls – offensichtlich in der falschen Schule sitzen.

Es ist nach wie vor meiner Ansicht nach bedauerlich – und Sie wissen, wir stehen da­zu, dass wir für das differenzierte Schulsystem sind –, dass die Hauptschulen derart kaputt gemacht worden sind. Wir erleben es vor allem in den Ballungszentren, dass dort die soziale Mittelschicht sowohl bei den Inländern als auch bei den Ausländern völlig weggebrochen ist. Jede Zuwandererfamilie, die sich halbwegs etabliert hat und einen sozialen Aufstieg gemacht hat, schaut, dass sie ihre Kinder entweder in die AHS oder als Alternative in die Privatschule schickt. Das ist eine Entwicklung, die in die völ­lig falsche Richtung geht.

Beim Thema „Bildung“ diskutieren wir fast ausschließlich über die Matura – heute ist es Teil des Gesetzes, aber auch sonst wird nur über die Matura diskutiert. Da fehlt mir – auch wenn wir jetzt Lehre mit Matura haben – die Anerkennung der Lehre. Die Wirtschaft sagt: Wir brauchen Facharbeiter. – Die kämen aus dem klassischen Haupt­schulbereich, die kämen aus dem klassischen Bereich dieser Schulen; Schüler, die eher handwerklich arbeiten wollen oder möglichst früh arbeiten wollen, aber sich nicht unbedingt durch eine Matura quälen wollen.

Ich glaube, es ist wichtig, in einem Bildungssystem verschiedene Wege zuzulassen. Unser Bildungssystem – das ist das absolut Positive daran – ist durchlässig. Es ist nicht so, dass es jemandem verwehrt ist, die Universitätsreife zu erreichen, auch wenn er aus dem Bereich der Hauptschule kommt.

Die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems finde ich durchaus in Ordnung, aber zu den vorliegenden Entwürfen, vor allem betreffend BIFIE-Gesetz und Zentralmatura, können wir heute unsere Zustimmung leider nicht geben. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

14.16


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Erlitz. Ich erteile es ihm.

 


14.16.34

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin! Die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, Frau Kollegin Mühlwerth, ist formal gegeben, aber tatsächlich spielt es sich in den Zahlen anders ab.

Die Durchlässigkeit hängt vom sozialen Hintergrund der Schüler ab – es ist leider so –: 87 Prozent der Schüler, deren Eltern aus akademischen Bereichen kommen, und nur 14 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Hauptschulabschluss haben, kommen in die Universität. Das heißt, wir haben soziale Barrieren zu überwinden, und wir müssen schauen, dass wir ein System finden, das soziale Barrieren beseitigt. Die formale Durchlässigkeit, die ist schon gegeben.

Aber wir sind heute beim Thema „Reifeprüfung“. Es ist schade um diesen großen Er­folg, wenn man den jetzt zerredet. Schuldebatten können wir sicher woanders auch noch führen. Ich sage immer: Herbstzeit – obwohl es schon fast winterlich ist – ist Ern­tezeit. Das gilt nicht nur für den landwirtschaftlichen Bereich, sondern auch für diesen Bereich. Die Frau Ministerin hat dieses bildungspolitische Feld meiner Meinung nach sehr gut aufbereitet und kann heute mit dieser Beschlussfassung – davon gehe ich aus – eine sehr gute Ernte in die Scheune fahren. Mit der Novelle des Schulunter­richtsgesetzes wird diese neu standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung – so nehme ich an – endgültig beschlossen werden.

 


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