BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 110

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Ich denke mir – und viele andere Staaten können sich dasselbe fragen –: Warum brau­chen wir zum Beispiel für die Rückgabe geraubten Gutes 64 Jahre, und warum werfen wir einer kleinen Demokratie, die sich jetzt irgendwie aus dem Schlamassel eines der grausamsten Bürgerkriege überhaupt wieder zu einem normalen zivilen Leben heraus­katapultiert, vor, dass zehn Jahre danach noch nicht alles so ist, wie wir es wollen, und dass die Polizei zwischen den ethnischen Volksgruppen nicht funktioniert, wie sie in je­dem anderen Staat zu funktionieren hat? – Ich habe damals gesagt: Ich erlaube mir jetzt, zu sagen, dass nur die Österreicher die Experten sind, weil der Balkan beim Süd­bahnhof beginnt!, und habe genau dieses Beispiel aus unserer eigenen Restitutions­geschichte verwendet. Dann war es ein bisschen still.

Ich denke, wir haben noch einiges zu tun. Es gibt einen Wermutstropfen – die Frau Mi­nisterin weiß es –, und da sollte man sich nicht in den Sack lügen. Ich weiß, es sind immer die rechtlichen Gebilde, die oft gegen irgendetwas sprechen. Aber hinter der Sammlung Leopold steht der Bund, und die Sammlung Leopold ist ausgenommen! Das tut weh, und da hoffe ich, dass wir das vielleicht in einem nächsten Schritt herein­bekommen. Vielleicht hätte es im Gesetzestext auch etwas schöner geklungen – jetzt schaue ich die Hohe Beamtenschaft an –, wenn die Regierung nicht nur ermächtigt, sondern sogar verpflichtet wäre, es zu tun.

Aber wir wollen es tun, und es wird getan. Die Provenienzforschung halte ich für un­ser kollektives Lernen als Gesellschaft für wichtig. Ich sage auch: Ja, das soll noch lan­ge weitergehen.

Ich bin sogar noch großzügiger und hätte mir im Jahre 2008 etwas gewünscht. Ein ein­ziges Land hat gegen die Besetzung, den Einmarsch der Hitler-Truppen, protestiert, ein einziges Land auf der Welt: Das war Mexiko! Ich hätte mir 2008 gewünscht, den für unsere Sammlung eigentlich fast unerheblichen – aber für das Präkolumbianische Mu­seum wäre es das einzige Werk der Welt gewesen – Federschmuck des Hohepries­ters des Montezuma in einer Geste Mexiko zurückzugeben, da gerade Mexiko da­mals der Weltgemeinschaft vor Augen geführt hat: In Europa geschieht gerade Unrecht!

Auch wenn es über Ambras kommt – weil da gerade ein Tiroler zu lachen anfängt –: Wie dieser Federschmuck in den Besitz des Kunsthistorischen Museums gekommen ist, ist tatsächlich fragwürdig! Das wäre eine großzügige Geste gewesen. Ich weiß, dass dahinter natürlich eine größere Debatte unter dem Titel „Nofretete will nach Hau­se“ läuft, aber da gehen wir noch in ein ganz großes Kapitel.

Jetzt müssen wir einmal unsere Arbeit aus der Provenienzforschung erledigen. Aber vielleicht könnten wir doch einmal diese kleine Geste gegenüber Mexiko machen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

15.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

 


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