BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 112

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gerne gesehen hätten. Das wäre aber, zumindest nach unserem Dafürhalten, die einzi­ge Möglichkeit, der Sache gerecht zu werden.

Hier wird jetzt einmal mehr das Unding versucht, in der Vergangenheit moralisch han­deln zu wollen. Mit der Gnade der späten Geburt weiß jeder von Ihnen offensichtlich, was damals alles richtig zu machen gewesen wäre. Das halte ich für eine ziemlich überhebliche und auch unehrliche Position, die es sich sehr leicht macht, denn ge­handelt wird immer im Hier und Jetzt. Das Hier und Jetzt muss uns interessieren, und darauf sollten wir uns auch konzentrieren. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

15.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Mayer. – Bitte.

 


15.43.38

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, wir bedauern es schon, dass es bei einer derart wichtigen Materie zu keinem einstimmigen Be­schluss kommt. Aber, in aller Ernsthaftigkeit gesagt: Glauben Sie wirklich allen Ernstes, dass es mehr als 60 und 70 Jahre nach diesen Urteilen sinnvoll wäre, eine Einzelfall­beurteilung bei allen angefragten Delikten vorzunehmen und auf Motivenforschung zu gehen? – Das ist, glaube ich, ein Ding der Unmöglichkeit!

Die damaligen Urteile, die nicht nur von nationalsozialistischer Wehrmachtspropagan­da strotzen, sind absolute Willkürakte und haben mit Rechtsprechung überhaupt nichts zu tun. Da noch Einzelfallprüfungen zu verlangen und zu beantragen, ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit, Frau Kollegin, bei aller Wertschätzung. Ich habe dann noch ein besonderes Beispiel für Sie, im Anschluss daran, obwohl ich zugestehe, dass die Diskussion um eine einstimmige Beschlussfassung berechtigt ist, zumal wir mit dem heutigen Beschluss, glaube ich, auch ein wichtiges Signal setzen, weil wir eine jahre­lange, mühsame Debatte zu einem positiven Abschluss bringen. Da wäre es einfach schön gewesen, auch alle mit dabei zu haben.

Kurz ein Abriss zur Geschichte, und dann muss ich Ihnen auch noch sagen, Frau Kol­legin Mühlwerth, dass das Ganze im Prinzip ja schon erledigt ist, aber wir eben einige Lücken schließen, das Gesetz zur Befreiungsamnestie 1945 ergänzen. Durch das An­erkennungsgesetz 2005 sind die Urteile der NS-Sondermilitärgerichte auch wegen De­sertion bereits aufgehoben worden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist uns bekannt!) In die­sem Sinn ist es also einfach mühsam, darüber zu diskutieren.

Trotzdem gibt es, wie wir im Ausschuss gehört haben, viele Gründe für dieses Gesetz. Erstens geht es darum, dass diejenigen entsprechende Anerkennung und Respekt ent­gegengebracht bekommen, welche das nationalsozialistische Gräuelregime abgelehnt haben, seien es nun Deserteure, Widerstandskämpfer oder sogenannte Kriegsverräter. Der zweite Punkt ist, dass es eine zentrale rechtspolitische Bedeutung hat, weil es Missverständnisse aufklärt, Unklarheiten beseitigt und damit auch, wie gesagt, vorhan­dene Lücken schließt.

Es werden somit auch Urteile des sogenannten Volksgerichtshofes, der Militär- und SS-Gerichte sowie der Sonder- und Standgerichte, die keine Gerichte im herkömmli­chen Sinne gewesen sind, aufgehoben. Da bleibt einfach kein anderer Weg, als Urtei­le, die von diesen Pseudogerichten gefällt wurden, samt und sonders einheitlich und vollständig aufzuheben! Ausgenommen sind natürlich – das haben wir auch im Aus­schuss gehört – die Urteile wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen. Hier gibt es Ein­zelfallprüfungen, weil abgeklärt werden muss, ob diese nach dem heutigen Recht noch strafbar wären. Deshalb bleibt auch, liebe Frau Kollegin Mühlwerth, kein Spielraum in diesem Bereich.

 


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