Es war unserer Partei – und ich denke, auch der Partei der Sozialdemokraten – immer schon ein wichtiges Anliegen, die Unrechtsfolgen des Nazi-Regimes aufzuheben. Auch die Grünen – das möchte ich hier besonders erwähnen – haben wesentlich zu diesem Kompromiss beigetragen und sehr viel Engagement in dieser Sache gezeigt. Daher neige ich, Herr Kollege Schennach, in Ehrfurcht mein Haupt bei dieser Materie.
Ich darf in diesem Zusammenhang einen großen Österreicher, einen Widerstandskämpfer, Politiker, Staatssekretär außer Dienst, einen Tiroler, vor dem wir Vorarlberger natürlich auch den Hut ziehen, nämlich Dr. Ludwig Steiner zitieren:
„In der Nacht zum 3. Mai 1945 schlug sich Ludwig Steiner in Uniform zu den US-Truppen durch und verhandelte die Übergabe Tirols an die Alliierten. War er ein Deserteur?
‚Ich war ein Parlamentär, das ist ein gewisser Unterschied’, berichtete er. Keinen Unterschied will er aber machen, wenn es um die Aufhebung der Urteile gegen Wehrmachtsdeserteure im Nationalrat geht:
‚Diese Unrechtsurteile gehören pauschal abgeschafft. Nach 60, 70 Jahren muss das vorbei sein. Das kann man heute nicht mehr abrechnen.’
Steiner stieg damals an der Seite von Karl Gruber, dem politischen Kopf der Widerstandsgruppe in Tirol, in die Politik ein.
Dennoch war auch er immer wieder mit Unverständnis für seine Haltung konfrontiert. Einmal im Vorfeld des Kärntner Ulrichsbergtreffens, erinnert er sich:
‚Da haben mir Leute gesagt, du hast deinen Fahneneid verraten. Und ich habe gesagt, erstens habe ich den Eid nicht freiwillig geleistet. Und zweitens habe ich gefragt, hast du den Fahneneid geleistet, damit dein Führer deine Kameraden vor Stalingrad verrecken lässt?
Dafür stehst du heute noch gerade? Denn man muss sagen, was allen deutschen Soldaten durch diese nationalsozialistische Führung angetan wurde, das ist ein Verbrechen an diesen Soldaten.’
Es sei deshalb gerechtfertigt gewesen, die Flucht aus der Wehrmacht zu versuchen. Und die Motive für die Desertion ließen sich heute, Jahrzehnte später, nicht mehr im Einzelfall aufarbeiten.“ – Zitatende.
Ludwig Steiner hat auch im hohen Alter den Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit geleitet, der für die Entschädigungszahlungen bei Zwangsarbeit verantwortlich zeichnete. Ein großer Österreicher – und wir sollten seine Worte ernst nehmen, Frau Kollegin Mühlwerth!
Sehr verehrte Damen und Herren, ich darf Sie einladen, trotzdem dieser Vorlage zuzustimmen, weil damit ein großes Stück unbewältigter Geschichte einer sehr sinnvollen Lösung zugeführt wird. Meine Fraktion bedankt sich ausdrücklich bei Frau Bundesministerin Bandion-Ortner dafür, dass sie eine mehrheitsfähige Vorlage zur Rehabilitation der Justizopfer des Nationalsozialismus vorgelegt hat. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)
15.49
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Konecny. – Bitte, Herr Professor.
15.50
Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ja, ich gebe Kollegin Mühlwerth in einem Halbsatz recht, nämlich dort, wo sie davon gesprochen hat, dass der Maßstab einer gesetzlichen Maßnahme das Hier und das Jetzt ist.
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