BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 116

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16.00.58

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zunächst einmal herzlichen Dank, lieber Edgar Mayer, für die Anerkennung. Aber jetzt gebe ich es an den Albrecht Konecny weiter: Ich danke ihm, dass er seinerzeit mit seiner Unterschrift es uns er­möglichte, jene Dringliche Anfrage zu den Deserteuren und dem Unrecht an den De­serteuren in dieser Kammer zu machen, die enorm vieles bewegt und dynamisiert hat und 2005 dann noch zu einem sehr wichtigen Schritt geführt hat.

Zwischen den Jahren 1946 und 2005 liegen fast 60 Jahre. Das heißt, was wir heute wahrscheinlich abschließen, die Rehabilitierung von Wehrmachts-, SS-Gerichtsurteilen von Sonder- und Strafgerichten, Volksgerichtshof und nicht zuletzt Erbgesundheits­gerichten ist ja vielleicht für einige wenige noch lebende Menschen wichtig. Aber es ist in zwei Richtungen wichtig.

Einerseits um die „Oberhoheit des Biertisches“ zu bekämpfen und das Bild jener ins Licht zu rücken, die damals zu Unrecht von einem menschenverachtenden Regime verurteilt wurden. Insbesondere spreche ich hier von den Deserteuren, und zum ande­ren – und da geht es um unser kollektives Bewusstsein – spreche ich von den Ver­wandten. Da geht es um Urteile, die in einer Familie weiterwirken, wobei es darum geht, zu sagen: Mein Onkel, mein Vater oder wer auch immer war nicht schuldig! Denn eines darf man nicht vergessen: Was stand denn für ein Leitspruch über der natio­nalsozialistischen Gerichtsbarkeit gerade in Militärfragen? Und zwar: Ein Soldat kann sterben, ein Deserteur muss sterben!

Deshalb haben all jene Zehntausenden, die durch Selbstverstümmelung oder Flucht oder Überlaufen die NS-Militärmaschinerie geschwächt haben, einen unfassbaren, für uns heute eigentlich nicht vorstellbaren Mut an den Tag gelegt, denn ein Deserteur hat­te keine Gnade zu erwarten.

Deshalb sollten wir einmal mehr unseren tiefen Respekt vor diesen Patrioten aus­drücken, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass eine Militärmaschinerie eine Schwächung erlitten hat, und das war wichtig. Vor allem tragen diese Menschen auch unsere Ehre weiter, denn es waren die Widerstandskämpfer und die Deserteure, auf die wir uns heute in der Geschichte auch immer wieder berufen, wenn wir sagen, dass wir sehr wohl auch Widerstand geleistet haben.

Mein Freund Ludwig Steiner ist nur einer davon, dem man höchsten Respekt zollen kann. Es gibt noch einige wenige, die zum Beispiel als Kinder gerade noch die Flucht schaffen konnten, in die berühmten Züge gesetzt wurden und dann mit der alliierten Ar­mee nach Österreich gekommen sind. All jenen bietet nun dieses Gesetz auch jene Anerkennung, die ihnen gebührt.

Nach der Debatte, die wir hier im Bundesrat hatten, ist ein führendes Mitglied einer in Österreich honorigen Gemeinschaft zu mir gekommen und hat mit mir diskutieren wol­len. Er hat gesagt: Man kann über vieles diskutieren, aber über eines nicht, nämlich über die Tadellosigkeit und die Ehre der NS-Militärgerichtsbarkeit! – Das sind Leute, die heute in einem ganz bestimmten Bund in Funktionen sind.

Ich hätte mir gewünscht, gerade als Sohn eines Deserteurs, der das leider nicht mehr erleben kann, dass genau das, wofür man früher kämpfen musste an den Biertischen, nämlich dass es nicht feige Menschen waren, dass es nicht Kameradenschweine wa­ren, dass es nicht Verräter waren, früher passiert wäre.

Jetzt für uns, für die Nachgeborenen, vielleicht auch für die Enkeln und so weiter, ist das jetzt wichtig, und das ist im kollektiven Bewusstsein einer Gesellschaft wichtig. Deshalb wäre es schön gewesen, wenn es einstimmig gewesen wäre. – Danke. (Allge­meiner Beifall.)

16.06

 


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