BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 117

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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist nun die Frau Bundesminis­ter Bandion-Ortner. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


16.06.47

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist soweit: Sämtliche NS-Unrechtsurteile, Urteile, die unter dem Deckmantel der Justiz gefällt wurden, werden jetzt beseitigt – Urteile, die diametral jedem Ansatz von Gerechtigkeit und jedem Ansatz von Rechtstaatlichkeit wi­dersprechen.

Ich bin zwar froh, dass es zu einer Einigung zwischen den Regierungsparteien und den Grünen gekommen ist, finde es aber schade, dass FPÖ und BZÖ im Nationalrat nicht zugestimmt haben. Es wäre von großer Symbolkraft gewesen, wenn hier einheitlich vorgegangen worden wäre.

70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges stellen wir uns der Verantwortung in mehrerlei Hinsicht. Es werden eben folgende Urteile aufgehoben, die noch nicht aufge­hoben worden sind: Urteile der Standgerichte, der Sondergerichte; das waren keine wirklichen Gerichte, die haben sich nur als Gerichte bezeichnet.

Da wurde zum Beispiel ein polnischer Arbeiter verurteilt, weil er zwei Blechhäferln in den Trümmern gestohlen hat. Er wurde zum Tode verurteilt.

Aufgehoben werden sollen auch alle Urteile der Erbgesundheitsgerichte. Es hat Zwangs­sterilisationen gegeben, Zwangsabtreibungen – unglaublich eigentlich!

Es sollen auch Urteile wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen aufgehoben werden, sofern sie nicht heute auch noch unter Strafe stehen würden. Da hat es Zwangskastra­tionen gegeben, aber auch die Todesstrafe.

Es gibt auch eine Generalklausel, dass sämtliche Urteile mit typischem NS-Unrechts­gehalt aufgehoben werden sollen.

Es ist so, dass es grundsätzlich eine pauschale Aufhebung dieser Urteile gibt, nur bei der Generalklausel und bei Urteilen wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen gibt es eine Einzelfallprüfung, weil man ja eben nicht weiß, ob heute auch noch eine Strafbar­keit gegeben wäre oder nicht. Das muss geprüft werden.

Zuständig ist das Landesgericht für Strafsachen Wien. Es soll beraten werden durch einen sogenannten Versöhnungsbeirat, und es soll auch Aufhebungsbeschlüsse bezie­hungsweise deklarative Beschlüsse auf Antrag geben.

Es soll außerdem eine generelle Rehabilitierung aller Opfer politischer Verfolgung ge­ben. Auch diesen Opfern soll die Achtung ausgesprochen werden. Es wird das Mitge­fühl für alle Heimatvertriebenen und Opfer des NS-Unrechtsregimes durch dieses Ge­setz zum Ausdruck gebracht.

Eines muss man sagen, und das ist schon auch wesentlich: Durch dieses Gesetz sol­len nicht die Soldaten des Zweiten Weltkrieges herabgewürdigt werden. Viele glaubten, ihre Pflicht tun zu müssen, und vielen ist Schlimmes widerfahren.

Es stimmt, die Republik Österreich ist Opfer des Nationalsozialismus geworden, doch viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich mitschuldig gemacht.

Dieses Bewusstsein darüber ist übrigens eine der Grundlagen für dieses Gesetz. Und dieses Bewusstsein müssen wir, meine Damen und Herren, auch weiter fördern. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

16.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

 


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