BundesratStenographisches Protokoll779. Sitzung / Seite 84

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pflicht für einige dieser Staaten begrüßt. Ich möchte aber über das hinausgehend, was Kollege Schennach gesagt hat, eine einschränkende Bemerkung machen. Ich glaube nicht, dass es ein erträglicher Zustand ist, dass Mitgliedstaaten der Union oder solche, die es werden wollen, an Nichtstaatsbürger ihres Staates in einer Art Visa-Imperialis­mus Pässe vergeben, weder die Haltung Rumäniens, das geradezu in einer Werbe­kampagne in Moldawien seine Pässe anpreist, noch die Haltung Kroatiens, das – aus der Zeit des Bürgerkrieges limitiert erklärbar – seine Pässe dort anpreist. Und ich glau­be, dass man auch der serbischen Regierung deutlich machen sollte, dass wir uns zwar bemühen, dass alle bosnischen Staatsbürger dieselbe Möglichkeit der visafreien Einreise in die Europäische Union bekommen sollen, dass aber jetzt die massenhafte Ausgabe serbischer Pässe an die serbische Ethnie in Bosnien nicht zielführend sein kann. Diese Art von Pass-Tourismus oder Pass-Imperialismus – wie immer man es nennen will – widerspricht allen Regeln.

Die europäischen Staaten haben Kroatien erfolgreich zu verstehen gegeben, dass es etwas merkwürdig ist, die Kroatisch sprechenden Bürger eines Nachbarstaates Abge­ordnete zum kroatischen Parlament wählen zu lassen. Das war auch möglich, das ab­zuschaffen. Ich glaube, bei den Pässen sollte gleiche Härte gezeigt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich mache noch eine Bemerkung dazu; das ist keine Forderung, es ist eine Einladung zum Nachdenken: Gerade in Zeiten, wo wir in höchstem Maße uns darauf vorbereiten müssen, sparsam zu wirtschaften, ist es auch eine Überlegung wert, jene Initiativen, die in diesem Bereich tätig sind, auf ihre Effizienz, ihre Zeitgemäßheit zu prüfen und über Kooperationsmöglichkeiten bis zu Fusionsmöglichkeiten nachzudenken.

Ich habe über viele Jahre und mit großer Begeisterung Initiativen in diesem Bereich verfolgt, gelobt, unterstützt und zum Teil auch ein bisschen mitgeprägt, aber ich glau­be, dass es beispielsweise an der Zeit ist, zu überlegen, ob jene große Donauraum-Initiative, die nicht allein unsere ist, die eine der Europäischen Union ist, nicht andere Initiativen in sich aufnehmen kann. Die Zentraleuropäische Initiative, selige Hexa-, Penta- oder was sonst -gonale, hat ihre Verdienste, aber wenn die Hälfte der heutigen Mitgliedstaaten bereits Mitglieder der Union sind und praktisch alle in den Bereich zu liegen kommen, wo auch eine Donauraum-Initiative hinzielt, ist zu überprüfen, ob man nicht auch einmal den Mut haben soll, über eine an sich völlig erfolgreiche Initiative zu sagen: Ja, mission accomplished! Wir haben das erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Jetzt ist in einem anderen Kontext und ohne Sekretariat weiterzuarbeiten. Die Mittel kann man den Projekten zukommen lassen, statt hier so zu tun, als wäre für die Ewigkeit eine Institution zu schaffen gewesen.

Das ist nur eine Anmerkung, aber ich glaube, wir müssen in Zeiten knapper Mittel sol­che Überlegungen anstellen.

Lassen Sie mich zum Schluss zurückkommen auf den Lissabon-Vertrag, der ein guter Kandidat ist, an allem und für jedes für schuldig erklärt zu werden. Ich hatte in der vo­rigen Woche das durchaus zweifelhafte Vergnügen, eine Delegation des Verfassungs­ausschusses des tschechischen Senats empfangen zu dürfen, dessen Vorsitzender sich mit dem Vertreter der FPÖ in dieser Runde hervorragend verstanden hat – bis die Beneš-Dekrete auf die Tagesordnung gekommen sind. Aber in der Feststellung, dass Lissabon an allem schuld ist, an der Klimaerwärmung, dass es so zeitig finster wird oder was sonst immer, waren sich die Herrschaften einig. Ich glaube, es gibt of­fenbar zwei Lissabon-Verträge: den, der jetzt in Kraft getreten ist, und ein wolkiges Gebilde, das immer als Sündenbock herhalten muss.

Es ist dem, was schon gesagt wurde, wenig hinzuzufügen, aber bei einem Vertrag, der in Wirklichkeit den nationalen Parlamenten ein deutliches Mehr an Rechten gibt, sie


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