BundesratStenographisches Protokoll780. Sitzung / Seite 86

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Es geht in dieser Debatte im Grundsätzlichen auch darum, was denn eigentlich Familie ist. Ich meine, eines ist uns hier allen, glaube ich, klar: Vater-Mutter-Kind ist schon lan­ge nicht mehr Familie (Ruf bei der FPÖ: Doch, ist es noch immer! – weitere Zwischen­rufe bei ÖVP und FPÖ), ist schon lange nicht mehr Familie, wenn 50 Prozent der Ös­terreicher in Patchwork Families leben, wenn jede zweite Ehe geschieden wird. Dieses Bild, an dem Sie festhalten, führt auf der katholischen Seite zu genau jenen Härten, die alle Wiederverheirateten treffen, etwa dass sie von den Sakramenten ausgeschlossen werden. Das kann weder Ziel christlicher Lehre und Ansehen sein, noch kann es Ziel eines Staates sein, der versuchen muss zu sehen, dass sich so, wie sich unsere Ver­fassung ändert, auch eine Gesellschaft verändert – und mit ihr ihre Grundprinzipien.

Wenn der Kollege gemeint hat, dass es da gewisse Lobbys gibt – damit meint er wahr­scheinlich Religions- und Staatszerstörer –, dann muss man schon eines sagen: Die Form der Ehe und der Familie – wie wir sie kennen – ist jung gegenüber der Homose­xualität, die sicher drei- oder viertausend Jahre älter ist als die Form der Ehe- und Fa­milienführung, die wir heute kennen. Genau diese Form der Ehe- und Familienführung ist längst auf der Titanic angekommen, sonst würde nicht jede zweite Ehe geschieden werden. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir eine Gesellschaft von Patchworkfamilien sind, und wenn wir das einmal zur Kenntnis genommen haben, dann können wir uns vielleicht auch wieder freuen über mehr Geburten in Österreich und müssen uns nicht über sinkende Geburtenzahlen ärgern. (Beifall der Bundesräte Dönmez und Kersch­baum.)

Meine Damen und Herren, es gibt 45 Ungleichbehandlungen, die nach wie vor beste­hen – darüber wird das Jahr 2010 Auskunft geben, zumindest der Europäische Men­schenrechtsgerichtshof –, für mich ist hier ein großer Schritt gesetzt worden, auch wenn es zum Beispiel das Verbot medizinisch unterstützter Fortpflanzung nach wie vor gibt oder nicht automatisch – wie ich schon gesagt habe – einen gemeinsamen Ehe­namen.

Die Stadt Salzburg und die Stadt Wien zeigen, dass es auch anders geht. Wir können auch schöne Trauungszeremonien veranstalten. Diese zwei Städte haben ein Zeichen gesetzt – ich nehme an, es werden noch viele andere nachfolgen, die Standesämter haben –, dass es völlig unzeitgemäß ist, daran festzuhalten, ja keine offizielle Trauung oder offizielle Trauzeugen zu erlauben. Was ist denn so schlimm, wenn Kollege Ko­necny und ich zum Beispiel irgendeine Eheschließung bezeugen würden? Es ist ja nur eine Zeugenschaft zu einem Vertrag, der auf staatlicher Ebene geschlossen wird.

Wenn wir uns die Kirchen anschauen, so müssen wir eines sagen: Die Homosexualität ist dort längst evident. Wir brauchen uns ja nur die vielen, vielen Probleme anzuschau­en. Ich muss nur Irland erwähnen, ohne dass hier ein großes Gemurmel ausbricht; ich brauche nur Kardinal Groër zu erwähnen, ohne dass großes Gemurmel ausbricht. Ich kann es weiterführen und weiterführen.

Man muss nur offen und ehrlich sein, und wir müssen seelsorgerisch damit umgehen können, nicht diskriminierend. (Bundesrat Kneifel: Wir sind aber im Parlament, nicht im Pastoralamt!) Wir müssen Antworten finden, und wir sehen, dass christliche Kirchen wie zum Beispiel die evangelische – in der Mitglieder eurer Partei ja durchaus Heimat gefunden haben – dieser Frage durch Segnungen viel offener gegenübersteht als der Redner, den wir hier gehört haben.

In diesem Sinne zusammenfassend: Ja, wir nehmen diesen ersten und großen Schritt, und ich weiß – ich schaue jetzt ganz bewusst zum Kollegen Perhab –, dass es kein einfacher Schritt war. Das akzeptiere und respektiere ich, und ich kann es auch aner­kennen, wenn Sie sagen: Dieser Schritt ist uns nicht leicht gefallen.

 


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