BundesratStenographisches Protokoll781. Sitzung / Seite 56

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Er hat gemeint, das wäre eine Pietätlosigkeit. Die Pietätlosigkeit erkenne ich derzeit genau umgekehrt, nämlich dass an allem, was derzeit an Misswirtschaft aufgedeckt wird, der verstorbene Jörg Haider schuld sein soll. Das heißt, die Pietätlosigkeit liegt eigentlich im orangen oder blauen Lager – wie auch immer das Lager derzeit zu be­zeichnen ist – und mitnichten bei jenen, die das kritisieren.

Der Herr Landeshauptmann hat weiters von den Chancen der internationalen Ausbil­dung der Jugendlichen gesprochen, die Kärnten derzeit mit seiner Ortstafelpolitik und Politik des Alpen-Adria-Raumes wohl wahrlich konterkariert. Wir alle stellen begeistert fest: Istrien ist zweisprachig, Südtirol ist zweisprachig – und dann stößt man auf diese vertrocknete Politik, die Kärnten da bietet! Das ist alles andere als etwas, auf das die jungen Menschen, die zweisprachig sind und eine internationale Ausbildung machen, stolz sein könnten.

Ich sage Ihnen: Wo immer man heute junge Kärntner und Kärntnerinnen trifft, ist denen dieses Thema völlig egal. Es ist das Thema einiger alter Herren, die noch nicht wissen, dass wir in der Europäischen Union sind; die noch nicht wissen, dass wir uns als Euro­päer und Europäerinnen zu fühlen haben und dass die Zwei- und Dreisprachigkeit für unsere Kinder die Herausforderung der Zukunft ist, um in einem gemeinsamen Europa zu bestehen. (Beifall der Abgeordneten Dönmez und Kerschbaum sowie bei der SPÖ.)

Kollege Zwanziger – er ist auch weg! Mit wem redet man eigentlich? (Allgemeine Hei­terkeit.) Jetzt scheint der Feudalstaat draußen Hof zu halten. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber auch nicht so interessant, dass man dableibt! Anhaltende Zwischenrufe.) Wir können alle mit Scheuklappen herumstehen und sagen: Tolle Sache, das BZÖ ist verschwunden! Es ist zum Teil auch in Kärnten irgendwie wirklich verschwunden. Aber der Kollege Zwanziger hat gesagt – ich weiß nicht, an wen er das gerichtet hat, viel­leicht hat er das Murren im Saal gemeint –, seit der Jörg Haider tot ist, ist die Jagdsai­son eröffnet. Das hören wir doch immer wieder. Kaum sagt man etwas, heißt es „Jagd­saison“; kaum sagt man etwas über Kärnten: „Jagdsaison“ – der üblichen Bekannten und Verdächtigen.

Ein heimatverbundener Kärntner Manager hat es nicht mehr ausgehalten – er heißt Wilhelm Reichmann – und hat in einem offenen Brief, der in österreichischen Zeitun­gen abgedruckt wurde, geschrieben: „Unsere Kärntner Sumpfblüten aus BZÖ/FPÖ nehmen diesen Ball gerne auf und erklären sich noch zu Märtyrern im Interesse des Landes. Nicht Populismus ist den Herrschaften vorzuwerfen. Was ist das auch für ein schlimmer Vorwurf? Das ist eine Währung, die mehr unter akademisch-intellektualisti­schen Kritikern gilt. Solche Vorwürfe heften sich die BZÖ/FPÖler als Orden an die Brust, sie dienen ihnen trefflich, Spuren zu verwischen. Verwischen, zudecken, unter Wasser drücken, das täten sie jetzt gerne. Das darf ihnen aber nicht gelingen. Alle Scheinwerfer sind auf den Fall der HGAA gerichtet, weil es nicht nur ein eklatanter Fall von wirtschaftlichem Versagen, sondern ein Fall ist, an dem gesellschaftliche und politi­sche Zustände sichtbar werden und deren Ausleuchtung und Erklärung mehr zu Stan­de bringen können als Kilometer von Anti-Haider-Litaneien: Rundherum Fahrlässigkeit, Leichtsinn, gepaart mit Arroganz und über allem der Geruch von Betrügereien.“

Das sagt jetzt kein Wiener Kritiker, sondern einfach ein Unternehmer aus Kärnten – so wie ich Ihnen ja letztes Mal von einem anderen Kärntner ein neues Kärntner Heimatlied vorgelesen habe. Ich gebe zu, ich mag Kärnten. Es gibt sehr, sehr viele nette Men­schen dort, und es ist auch ein fröhliches Land, aber es ist auch ein Land, in dem die Landespolitik zu verheerenden Zuständen geführt hat.

Wenn zum Beispiel Michael Fleischhacker – ein durchaus anständiger, konservativer Chefredakteur – in einem Artikel in der „Presse“ meint: „Wann wird Kärnten verstaat-


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