BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 21

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9.53.00

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Sehr vieles ist ja bereits zum Bereich Pflege und deren Herausforderungen in der Zukunft gesagt worden, sehr vie­les auch zu den Pflegebedürftigen, allerdings geht mein Anliegen in eine andere Rich­tung, nicht nur als Ländervertreterin, sondern auch als Interessenvertreterin, als Gewerk­schafterin und hier natürlich auch im Hinblick auf die Beschäftigten in diesem Bereich. Ich glaube, wir werden um zwei wesentliche Faktoren in der Pflege und deren Heraus­forderungen, mit denen wir uns in Zukunft noch befassen werden, nicht herumkom­men.

Erstens ist es die Altersstruktur, die ja bereits angesprochen wurde. Hier verschiebt sich die Altersstruktur deutlich hin zu älteren Menschen. Laut Prognosen der Statistik Austria steigt die Zahl der über 75-jährigen Menschen von jetzt 662 000 bis zum Jahr 2030 auf über 1 Million an.

Anders formuliert heißt das, in 20 Jahren wird jeder Neunte, jede Neunte über 75 Jahre alt sein, daher wird der Betreuungs- und Pflegebedarf natürlich in den nächsten Jahren ansteigen.

Zweitens: Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und des damit einhergehenden Struk­turwandels muss in neue Zukunftsbereiche investiert werden, um die Arbeitslosigkeit zu senken.

Der Pflegebereich zählt dabei ohne jeden Zweifel zu jenem Zukunftsbereich, in dem aus­reichend gute und gut entlohnte Arbeitsplätze geschaffen werden können und könnten.

Zur aktuellen Situation in Pflege und Betreuung ist allerdings zu sagen, dass schon heu­te das Angebot an professioneller Pflege und Betreuung nicht ausreichend ist. Viele Ein­richtungen und Organisationen im Pflegebereich leiden unter Finanzierungsengpässen, und dadurch leidet auch die Qualität der Dienste auf beiden Seiten – sowohl auf der Sei­te der Beschäftigten als auch auf der Seite der zu Pflegenden. Das ist nicht nur dem Bund anzulasten, sondern es ist auch dazu zu sagen, dass die Länder in die entspre­chende Verantwortung genommen werden müssen, um hier Vereinheitlichungen statt­finden zu lassen, um die unterschiedlichen Herausforderungen in Angriff zu nehmen.

Wie sieht der Pflegeberuf derzeit in der Praxis aus? – Der Pflegeberuf ist körperlich an­strengend, seelisch belastend und ist auch noch schlecht bezahlt. Dazu kommen, wie bereits vom Vorredner erwähnt, unregelmäßige Arbeitszeiten sowie steigender Arbeits- und Zeitdruck. Heimhilfen, die alte und kranke Menschen in deren eigenen vier Wän­den mobil betreuen, haben für die Betreuung oft nur 15 Minuten Zeit. Das reicht gerade für die wichtigsten geforderten Handgriffe, wie zum Beispiel Einlagen wechseln, Kör­perpflege, Anziehen, Umbetten oder Abendessen herrichten.

Zeit, um ein Gespräch mit den oft vereinsamten Menschen zu führen, bleibt hingegen nicht mehr. Die Betreuung im Pflegebereich erinnert in dieser Hinsicht beinahe an eine Art Fließbandarbeit, was weder aus Sicht der Menschenwürde noch aus Sicht der Ar­beitsbedingungen zu akzeptieren ist.

In Krankenhäusern wiederum führt die chronische Unterbesetzung mit Pflegepersonal dazu, dass Dienstpläne laufend geändert werden. Das bedeutet für Krankenschwes­tern und Krankenpfleger, dass sie laufend einspringen müssen, ihre Freizeit kaum mehr planen können, was wiederum zu Überbelastung und Burn-out führt. Das bestätigt auch eine Studie der Niederösterreichischen Arbeiterkammer.

Daher ist es unumgänglich, dass Änderungen eintreten müssen und Forderungen in die­ser Hinsicht gestellt werden müssen. Es ist unserer Meinung nach unumgänglich, dass wir als Interessenvertretung darauf pochen, dass wir quasi die Sozialmilliarde bekom-


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