BundesratStenographisches Protokoll787. Sitzung / Seite 30

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9.52.05

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Mit der Beschlussfassung dieser Novelle erleben wir heute in zweierlei Hinsicht eine Aufwertung des Bundesrates: zum Ersten auf dem großen Feld der europäischen Politik. Es wurde ja schon andiskutiert. Es geht, so glaube ich, nicht so sehr nur um das Selbstwertgefühl des Bundesrates oder um die Stellung des Bundesrates. Es geht darum, ob wir für die Republik Österreich, für die österreichischen Bürgerinnen und Bürger einen Nutzen stiften können. Ich glaube, auf diesem Feld der Europapolitik, auf dem wir weitgehend die gleichen Rechte wie der Nationalrat haben, können wir einen sehr wertvollen Beitrag leisten.

Der zweite Bereich betrifft die Zusammenarbeit mit den Ländern, die mit diesem Vertrag von Lissabon eine völlig neue Qualität erhält. Es wurde in dieser Debatte schon mehrfach angeschnitten, dass das nicht immer ganz einfach sein wird. Es liegt, so glaube ich, an uns, dass wir nicht bei dieser Novelle stehen bleiben, sondern dass wir Werkzeuge entwickeln, Diskussionsformen entwickeln, auf deren Basis eine sinnvolle Zusammenarbeit und Einbindung und das Hereinnehmen der Positionen in den Ländern gelingen kann. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Wege.

Die Instrumente wurden schon vorgestellt. Ich darf nur auf eines noch ganz besonders verweisen, auf die Brückenklausel, weil wir damit eine ganz besonders starke Stellung der nationalen Parlamente haben. Bei der Brückenklausel, also beim Abgehen vom Ein­stimmigkeitsprinzip auf europäischer Ebene, kann es ja nur um ganz große Fragen gehen. Bei diesen ganz großen Fragen brauchen wir in Zukunft die Zweidrittelmehrheit des Nationalrates und des Bundesrates.

Das heißt – wir können uns das plakativ vorstellen –, wenn es möglicherweise zu großen Spannungen zwischen Nord und Süd in Europa in der Frage der Wasser­bewirtschaftung kommt, dann braucht es die Zweidrittelmehrheit des Nationalrates und des Bundesrates, um auf europäischer Ebene ein solches Politikfeld zu regeln. Damit haben wir eine unglaublich starke Position. Ich glaube, das ist insgesamt für den Parla­mentarismus in Österreich eine Sternstunde.

Wir haben mit diesem Vertrag von Lissabon jetzt die Instrumente in der Hand – ich sage einmal vorab: in der Theorie und auf dem Papier –, um die sogenannte über­schießende Regelungswut der Europäischen Union in den Griff zu bekommen. Die Klage darüber ist ja landläufig und Dauerthema in der österreichischen Politik. Ich darf nur dieses ewige Reizthema, nämlich die Regelung der Bananenkrümmung oder die letzte „Großbaustelle“, die Glühbirnenverordnung der Europäischen Union, anführen.

Ich darf noch eine ganz kleines Beispiel nennen, über das wir vor zwei Tagen diskutiert haben. Dieses Feuerzeug hat eine schöne Kindersicherung. (Der Redner hält ein Feuer­zeug in die Höhe.) Muss es sein, dass so etwas in Zukunft auf europäischer Ebene geregelt wird oder regeln wir uns solche Dinge selbst? Ich möchte nicht polemisieren, sondern nur darauf hinweisen: Wir werden in Zukunft bei jeder Materie entscheiden müssen und sollen, ob wir das besser national zu regeln in der Lage sind oder ob wir uns eine europäische Regelung wünschen oder eine solche stattfinden lassen.

Es gibt im Europaausschuss jede Menge sinnvoller Vorlagen, bezüglich derer es auch ganz klar unsere Meinung war, dass die europäische Regelung sinnvoll ist. Ich denke nur, wir hatten vor wenigen Wochen das internationale Erbrecht auf der Tagesordnung, wir hatten das Scheidungsrecht: Selbstverständlich wollen wir da vernünftige euro­päische Regelungen haben. Beim letzten Europaausschuss ging es um diese Banken­aufsichtsfragen. Da wissen wir selbstverständlich: Das sind internationale Materien, wo


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