BundesratStenographisches Protokoll787. Sitzung / Seite 33

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lungnahmen die Stellungnahmen der Länder zu erwägen und die Landtage über die von ihm gefassten Beschlüsse zu unterrichten. Und – es ist hier ebenfalls bereits erwähnt worden –: Beim Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit, beim Übergang von einem besonderen zu einem ordentlichen Gesetz­gebungsver­fahren hat der Nationalrat mit Zustimmung des Bundesrates jetzt die Möglichkeit zur Ablehnung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn nun mit dieser Novelle Nationalrat und Bun­desrat mehr Kompetenz und mehr Einfluss erhalten, dann ist das natürlich kein Selbst­zweck, sondern eine Stärkung der Volksvertretung. Es bedeutet in erster Linie mehr Kontrolle, mehr Transparenz und mehr Einfluss letztendlich der Bürgerinnen und Bürger. Insgesamt bedeutet dies eine stärkere Beteiligung des österreichischen Parlaments an den Vorhaben der Europäischen Union.

Gerade die Legitimität des europäischen Integrationsprojektes erfordert mehr denn je viel Demokratie und Transparenz. Ich habe selbst in meiner sechsmonatigen Prak­tikumszeit im Europäischen Parlament miterleben müssen, wie stark die Dis­krepanz ist zwischen dem, was in den europäischen Institutionen geschieht und entschieden wird, und dem, was dann letztendlich davon in den Ländern bekannt wird und bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt. Bei dieser fehlenden Transparenz hat man manchmal den Eindruck, dass es manchen politischen Akteurinnen und Akteuren und manchen Gruppen und Wirtschafts- und Finanzlobbys auch recht ist, dass Bürgerinnen und Bürger in Europa gar nicht immer so recht mitbekommen, was dort eigentlich so vor sich geht und welche Entscheidungen dort getroffen werden. Natürlich spielt auch die Komplexität dieses Entscheidungsgefüges mit dabei, dass den Bürgerinnen und Bürgern manchmal der Durchblick fehlt.

Die Entwicklung der Vorhaben der Europäischen Union darf daher nicht an den nationalen Parlamenten vorbeigehen, denn die nationalen Parlamente sind, was die EU-Gesetzgebungsvorhaben betrifft, nicht nur dazu da, diese Fülle ins innerstaatliche Recht umzusetzen und somit in Wirklichkeit zu einem administrativen Organ zu werden, sondern sie müssen auch richtige Akteure in diesen Entscheidungsprozessen in der Europäischen Union werden. Das ist gelebter Parlamentarismus und eine wirkliche Chance, die EU ihren Bürgerinnen und Bürgern näherzubringen.

Daher ist diese Novelle ein richtiger und wichtiger Schritt und wertet natürlich den Nationalrat und Bundesrat auf. Jetzt haben nämlich die Minister eine Berichtspflicht zu den legislativen Vorhaben in der Europäischen Union. Jetzt kann das Parlament stärker eingreifen und den Ministern und Ministerinnen im Rat Vorgaben machen und sie durch bindende Stellungnahmen mehr in die Verantwortung und in die Pflicht nehmen. Und: Jetzt kann das Parlament auf die europäischen Gesetzentwürfe mit Subsidiaritätsrügen und auf die Gesetze mit Subsidiaritätsklagen reagieren, sollte sich die Europäische Union Kompetenzen herausnehmen, die ihr nicht zustehen, und kann eine aktive Rolle einnehmen, die eine enorme Herausforderung für die nationalen Parlamente bedeutet. Dies ist ein großer Erfolg!

Dieses Gesetzesnovelle ist ein erster Schritt in einer Entwicklung zu mehr Demokratie in Europa. Dies darf aber an dieser Stelle nicht enden, sondern muss weitergehen, und die Parlamente müssen zu wichtigen Triebfedern und Motoren der Demokratisierung Europas werden. Seite an Seite müssen die nationalen Parlamente gemeinsam mit dem Europäischen Parlament den Rat kontrollieren und ihn mit Vorgaben binden.

Es bleibt daher noch einiges zu tun auf dem Weg zu einem demokratischen Europa und einem Europa der Menschen. Die Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger hat ja mitunter damit zu tun, dass manchmal bei den Menschen der Eindruck entsteht, dass sie trotz Wahlen nichts bewegen können und dass sich die Politik ihrer


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