BundesratStenographisches Protokoll787. Sitzung / Seite 125

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ventive Maßnahme, sondern sie ergibt sich aus der individuellen Situation eines Verurteilten, und da muss man ein paar Parameter berücksichtigen: Gibt es einen Hintergrund häuslicher Gewalt, dann ist diese Form der Verbüßung einer Strafe nicht möglich, wenn es einen gemeinsamen Haushalt gibt. Dasselbe gilt, wenn es irgend­einen Zusammenhang gibt, generell für Straftaten im familiären Umfeld; da kann man diese Form des Strafvollzugs nicht anwenden.

Wichtig ist diese Maßnahme aber, weil sie eine enorme Chance für eine kleinere Per­sonengruppe, nämlich für etwa 300 Leute, darstellt, da das sichergestellt wird, was ja letztlich nach Vollzug jeder Strafe das Ziel ist, nämlich die Resozialisierung, die Wie­der­eingliederung in die Gesellschaft.

Für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft gibt es drei wichtige Dinge: erstens die Aufrechterhaltung der Wohnung, des häuslichen Umfelds, zweitens die Aufrecht­erhaltung des Arbeitsplatzes und drittens, wenn Familie vorhanden ist, die familiäre Bindung und das Leben von Beziehungen. Es nützt nichts, wenn wir Menschen wegsperren, die nachher keine Wohnung und keine Arbeit mehr haben und einsam sind. Das schafft unglaubliche Folgeprobleme.

Bei den Kandidaten – es gibt in diesem Bereich nur sehr wenige Frauen, aber trotzdem werden es auch ein paar Kandidatinnen sein – für diese Strafform wird ganz einfach die Resozialisierung begünstigt und das tatsächliche Positivpotenzial um einen Straf­täter, das es ja manchmal in erstaunlicher Weise gibt, wird erhalten; zum Beispiel kön­nen gerade eine Beziehung oder Eltern Wunder wirken, was die Resozialisierung betrifft.

Was ich spannend fände – gerade aus der Jugendgerichtsbarkeit kommend, wo wir ja zum Beispiel Schuld ohne Strafe kennen –, wäre, dass das künftig in einem Verfahren eine eigene Möglichkeit wird, dass man sagt, das ist Schuld, man bekommt ein Straf­ausmaß und macht das zu einer eigenen Strafform. Das ist vielleicht dann auch eine Anstrengung für die Anwälte, was die Darstellung beziehungsweise die soziale Erhe­bung rund um einen Straftäter betrifft, es ist aber natürlich auch sehr interessant im Bereich der Jugendlichen.

Es ist hier ein Wort gefallen, das nicht korrekt ist. Das ist keine Entlassung. Niemand wird dadurch entlassen. Wer eine elektronische Fessel bekommt, ist nicht entlassen, sondern er verbüßt seine Strafe in einer Umgebung, die er kennt und die all das, was wir wollen, vielleicht fördert.

Noch ein letzter Punkt: Im Strafvollzug gestehen wir den Menschen einen Freigang im Hof zu, auch wenn sie nur im Kreis gehen können. Wenn man sagt, die Strafe ist ausschließlich in der Wohnung zu verbüßen, dann frage ich mich, ob nicht vom Gesetz­geber zumindest – wenn man zum Beispiel annimmt, jemand ist vom Land – die Möglichkeit eines Spazierganges im Sinne der körperlichen Ertüchtigung oder der Gesundheitsförderung möglich ist, sodass zum Beispiel eine Stunde Freigang inkludiert wird. Es kann ja nicht nur der Weg zur medizinischen Versorgung und zum nächsten Supermarkt und vielleicht der Weg zur Arbeitsstätte enthalten sein. Das kann ja nicht das Einzige sein, was man außerhalb der Wohnung machen kann.

Das widerspricht auch ein wenig dem Prinzip, dass ein Mensch auch ein bisschen Freizeit im Sinne der körperlichen Ertüchtigung oder der gesunden Bewegung haben sollte, denn gerade in diesen Verhältnissen hat nicht jeder 150 m2 Fläche in der Woh­nung zur Verfügung. Das sind meistens sehr, sehr kleine Wohnungen und desolate Verhältnisse – ich kann das aus eigener Anschauung sagen –, und es sollte im Zuge der Evaluierung auch Augenmerk darauf gelegt werden, dass sich jemand in solchen


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