BundesratStenographisches Protokoll795. Sitzung / Seite 68

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Entwicklungen in der Welt zu fördern und zu unterstützen. Demokratie ist kein europäisches Phänomen, es ist vielmehr ein Grundrecht, auf das alle Völker ein Anrecht haben.

Die Revolutionen und Revolten in der arabischen Welt, durch die innerhalb von wenigen Tagen und Wochen Diktatoren, die sich jahrzehntelang an der Macht gehalten haben, weggefegt wurden – wenn man das so sagen kann –, haben aber gerade im Zusammenhang mit Waffenexporten doch ein Bild von Europa zum Vorschein gebracht, das manchmal, so würde ich meinen, der Glaubwürdigkeit des Westens und ganz allgemein auch Europas etwas geschadet hat. Wenn heute Krieg in Libyen geführt wird und nun die politisch Verantwortlichen erkennen, dass man es mit einem Despoten und Tyrannen zu tun hat, der zu allem bereit ist und zu allem in der Lage ist, dann muss man auch sagen, dass er nicht erst seit gestern ein Despot ist, sondern dass er das schon seit Jahrzehnten ist. Seit Libyen im Jahr 2003 von der Liste der terroristischen Staaten gestrichen wurde, ist unter den europäischen Staaten beinahe ein Rüstungswettbewerb um die Gunst des libyschen Diktators ausgebrochen. Man schätzt, dass Libyen im Zeitraum von 2003 bis 2010 für Waffen und Rüstung 6 bis 8 Milliarden Dollar ausgegeben hat, und das nicht nur an amerikanische Rüstungs­konzerne, sondern auch an europäische, und damit ist nicht nur der französisch-deutsche Rüstungskonzern EADS gemeint.

Im Jahr 2009 hat Deutschland zum Beispiel allein mit Libyen Waffengeschäfte im Wert von zirka 80 Millionen € getätigt. Und das, obwohl es bisher in der deutschen Rüstungsindustrie Richtlinien gab, und das, obwohl es in der Europäischen Union einen Verhaltenskodex für Waffenausfuhren gab, der allerdings nicht verbindlich war.

Daher ist der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 8. Dezember 2008, der den Europäischen Verhaltenskodex ersetzt, ein politischer Fortschritt, denn er stellt ein rechtlich verbindliches Kontrollinstrument für Waffenausfuhren dar.

Ich habe das Beispiel Libyen deshalb gebracht, weil ich finde, dass es sehr gut aufzeigt, dass trotz Bestimmungen, die europäische Länder dazu anhalten und seit 2008 verpflichten, keine Exporte von Waffen in Drittstaaten zu tätigen, die zur Verlet­zung von Menschenrechten, humanitärem und internationalem Völkerrecht, zur inter­nen Repression eingesetzt werden, nach wie vor mit derartigen Staaten Geschäfte in Milliardenhöhe gemacht werden, Exporte dorthin stattfinden.

Durch die Ereignisse im arabischen Raum – es gibt kaum Staaten, die nicht von diesen Protesten und Unruhen erfasst wurden – ist sehr stark hervorgetreten – gerade auch deswegen, weil wir da eine sehr starke mediale Berichterstattung haben –, in welcher Art und Weise in diesem Raum Despoten und Autokraten, die bisher als mit dem Westen befreundet und westlich orientiert galten – ich nenne hier nur Tunesien und Ägypten –, ihre Völker unterdrückt und der fundamentalen Grundrechte beraubt haben.

Die internationale mediale Berichterstattung, mit der diesen Ländern nun viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass seit Jahren Berichte, nämlich nicht nur Berichte von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch Berichte von Botschaftern, auch außenpolitische Berichte, zur Genüge darlegen, dass dort demokratische Rechte nicht gewährleistet wurden, dass dort staatliche Repression gegen Bürger eingesetzt wurde.

Ein deutscher Uni-Professor aus Kassel hat einmal geschrieben, dass es in Sachen Menschenrechte genügt, nur die Länderberichte des US-Außenministeriums abzu­rufen, die detaillierter sind als jeder Bericht von Amnesty International, die die bestialischen Foltermethoden in den Ländern des arabischen Raums beschreiben. Der Vorwand und die Ausrede, man hätte davon keine Kenntnis gehabt, gelten daher nicht. Vieles ist seit Jahrzehnten bekannt!

 


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