BundesratStenographisches Protokoll799. Sitzung / Seite 57

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11.29.06

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ich habe mich als Europa-Sprecher meiner Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet, weil es, würden wir es ins Tirolerische übersetzen müssen, ja eine Art Streitbeilegung ist. Der Konflikt der Kärntner Ortstafeln hatte nie die Tragik der Südtirol-Debatte, in der dann Österreich eine tatsächliche Streitbeilegungserklärung abgeben musste.

Aber ein ganz, ganz wichtiger Streit wird damit quasi innerösterreichisch beigelegt, und das ist ein wichtiges Signal auch in Europa, denn das ist ja nicht etwas, was so selten ist. Wir haben die Dänen in Schleswig-Holstein, wir haben die Deutschen, die Schlesier in Polen, wir haben die Deutschen in Dänemark, wir haben die Ladiner und die Deutschsprachigen in Südtirol, wir haben in Istrien durchgehende Zweisprachigkeit, nämlich Italienisch/Slowenisch, Italienisch/Kroatisch, wir haben das Baskenland. Wir haben die schwedischen Finnen in Schweden, aber wir haben zum Beispiel auch, was man sich gar nicht mehr vorstellen kann, die weitestgehende Minderheitenregelung – das muss man hier nicht kennen – auf den Åland-Inseln. Das sind Inseln auf finnischem Staatsgrund, auf denen Schweden leben, wo das finnische Gesetz gar nicht gilt, sondern wo auf finnischem Boden das schwedische Gesetz gilt.

Das heißt also, Europa ist ein Kontinent mit einer Gemeinschaft von starken regionalen Sprachen und von vielen, vielen Minderheiten, die durch die Charta der Regional- und Minderheitensprachen ein ganz besonderes Augenmerk bekommen, und das ist wichtig. Es ist wichtig, weil es zur Identität gehört. Ich finde es so wichtig, dass man von einer Minderheitenfeststellung Abstand genommen hat, weil man Minderheiten nicht zählt. Mehrheiten haben nicht das Recht, Minderheiten zu zählen.

Ich kann mich erinnern, als ich als Zwanzigjähriger nach Wien gekommen bin, gab es eine Diskussion über eine Volkszählung, bei der auch die Sprache festgestellt wurde, und, Herr Landeshauptmann, als Tiroler habe ich damals in Wien Slowenisch angekreuzt, als Ausdruck dessen, dass man Minderheiten einfach nicht zählt.

Noch etwas an Sie beide (in Richtung Regierungsbank): Ich habe nicht gewusst, dass wir einen Tom Cruise in der Regierung haben, denn als der Bundeskanzler mit seiner Menschenkenntnis Staatssekretär Ostermayer damit beauftragt hat, muss das ja irgendwie eine Mission Impossible gewesen sein. Wirklich mein tief empfundenes Kompliment für dieses Gespür! Und auch an Sie, Herr Landeshauptmann: Vom Ortstafelverrücken zu der Fähigkeit, einen Kompromiss zu finden, ist auch ein langer und ein bemerkenswertere Weg – auch dafür mein tief empfundenes Kompliment!

Aber für uns hier als Bundesrat ist, glaube ich, schon noch etwas wichtig, und da möchte ich Sie ein bisschen korrigieren, Herr Landeshauptmann, nämlich dass ein doppelter Respekt hergestellt wurde: ein Respekt vor den Höchstgerichten – den hat man in dieser Frage vermisst, denn es gehört sich in unserem Staatsgefüge, dass der Verfassungsgerichtshof den Respekt bekommt, den er verdient; jetzt ist der Respekt vor den Höchstgerichten hergestellt –, aber auch der Respekt vor dem Bundes­prä­sidenten, und verschiedenste Bundespräsidenten haben auf diese ungelöste Frage hin­gewiesen.

Viele haben heute die 56 Jahre angesprochen. – Ich würde es vielleicht anders sagen: 91 Jahre nach der Österreichtreue der Slowenen ist es ein Dankeschön, denn vor 91 Jahren hat in einem anderen Teil Österreichs auch eine Volksabstimmung statt­gefunden, und aus Ödenburg wurde Sopron. Diese Treue, in einem überwiegend slowenischsprachigen Gebiet mit knapp 60 Prozent für Österreich zu votieren, das halte ich wirklich für einen Augenblick, über den wir auch heute froh sein dürfen.

 


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