BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 119

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Zeit. Es ist nicht möglich, so etwas überhaupt zu realisieren, sich so etwas in seinem Kopf vorzustellen, aber versuchen Sie es trotzdem! Versuchen Sie sich das vorzustel­len: Es kommen Eisenbahnwaggons, Viehtransporte, und in diesen Viehtransporten sind 4 000 Menschen eingepfercht!

In Auschwitz-Birkenau ging es bis zum Jahre 1944 dann so weiter: Diese Menschen wurden entladen und mussten sich auf einen Fußmarsch in das Lager aufmachen. Im Lager angekommen, wurde selektiert: Kann man diese Menschen noch für die Arbeit brauchen, oder bringen wir sie gleich weg? Es wurde also unterschieden zwischen al­ten Frauen, alten Männern, kranken Menschen, Kindern, die eher nicht für die Arbeit geeignet waren, und solchen, die man zur Arbeit heranziehen konnte.

Man weiß aus Aufzeichnungen, dass ungefähr 900 000 Menschen direkt von diesen Zügen in die Gaskammern geführt oder erschossen wurden. Stellen Sie sich einmal vor: Bevor Sie in die Gaskammer gehen müssen, haben Sie noch Ihr gesamtes Hab und Gut abzugeben, und dann gehören Sie vielleicht noch zu den „Glücklichen“, die zur Arbeit herangezogen werden!

Zur Arbeit herangezogen zu werden, hat in diesem Lager bedeutet, dass man an Fir­men verliehen wurde, aber es war nicht ein wirkliches Glück, das einen da erwartete, denn beim geringsten Fehler konnte man sofort erschossen werden. Auch wenn es einem der Aufseher gefiel oder er gerade eine Verstimmung hatte, konnte man er­schossen werden.

Aus diesem Lager zu flüchten, das war fast unmöglich. Dieses Lager war in einem dünn besiedeltem Gebiet. Es wurden auch Zwangsaussiedlungen der dort ansässigen Bevölkerung durchgeführt, um ganz einfach eine bessere Kontrolle zu haben.

Wurde man nicht erschossen oder gefangen genommen, konnte man im Umkreis von einigen Kilometern keine Siedlungen finden. Diejenigen, die nicht auf der Flucht er­schossen, sondern wieder gefangen genommen wurden, starben den qualvollen Hun­gertod in einem Bunker.

Auschwitz-Birkenau war auch sehr berühmt dafür, dass man dort Sinti und Roma se­pariert gefangen hielt; das war der Sektor der „Zigeuner“ und „Zigeunermischlinge“. In diesem Sektor wurden auch Versuche an Menschen vorgenommen, medizinische Ver­suche, wie es damals hieß, wobei an lebenden Patienten ohne Narkose Operationen durchgeführt wurden, um zu erfahren, wann der Mensch die Schmerzen nicht mehr aushält und bewusstlos wird. Die Tötungsmaschinerie der Nationalsozialisten ging auch so weit, dass in diesem Bereich der Sinti und Roma die Menschen nicht mehr vergast werden mussten, weil sie sowieso an Unterernährung, an schlechten Bedin­gungen oder eben an diesen Experimenten starben. Vielen von Ihnen ist sicherlich der Name Mengele bekannt, auch er war in diesem Konzentrationslager einer der führen­den Kapos.

In Auschwitz wurden die ungefähr 200 000 dauernd stationierten Gefangenen von 4 500 Nationalsozialisten bewacht. Es gab insgesamt 39 Nebenlager. Wie gesagt, es ist unvorstellbar, sich so etwas in unserer Zeit vorzustellen, darum muss dieses Lager ganz einfach erhalten werden.

Ich möchte hier noch einen Text zitieren, der sich am Denkmal im Vernichtungslager Birkenau findet, das 1967 auf Initiative des internationalen Auschwitz-Komitees errich­tet wurde:

„Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Mensch­heit. Hier ermordeten die Nazis über anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas.“

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite