BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 67

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Frage der Schuld des Individuums kann niemals durch ein großes Gesetz ausgelöscht werden. Das würde nämlich schon ein bisschen auch daran erinnern, wie nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei mit der Vertreibung der Sudetendeutschen umgegangen wurde. Denn dort hat man dann auch mit einem Gesetz diese Ver­brechen straffrei gestellt, und die individuelle Schuld wurde in weiterer Folge eben nicht mehr gesehen. Das ist immer ein bisschen ein Problem bei solchen Gesetzen. Über­haupt, wo es sich in diesem Fall ja auch um eine akademische Diskussion handelt, denn das betrifft zwei heute lebende Personen, die direkt betroffen sind – Familien­angehörige sind es natürlich wesentlich mehr. Es sind zwei Lebende.

Ein weiterer Punkt, der mir nicht unwichtig erscheint und der mir leider Gottes auch in der Debatte rund um dieses Gesetz fehlt, ist folgende Tatsache: Da gibt es zum Beispiel den Herrn Josef Gerl, der am 20. Juli 1934 ein Sprengstoffattentat auf eine Signalanlage der Donauuferbahn verübt und bei der Flucht einen Gendarmen nieder­geschossen hat.

Welches Gesetz behandelt eigentlich das Schicksal des Gendarmen? Der Gendarm war jetzt nicht unbedingt der durchideologisierte Häscher, der von der damaligen Regierung losgeschickt wurde, um den Herrn Gerl umzubringen. Man darf und sollte natürlich auch gerade in so einem sensiblen Fall nicht vergessen, dass es hier Opfer auf beiden Seiten gegeben hat. Ich habe immer ein bisschen ein Problem, wenn man Opfer nur auf einer Seite sieht. Nichtsdestotrotz wird dieses Gesetz zur Versöhnung dieser beiden Lager beitragen.

Es ist ja auch heute – man hat es im Nationalrat gemerkt und man merkt es auch heute hier – Gott sei Dank eine andere Generation von Politikern am Werk. In den 1970er Jahren war das noch eine wesentlich andere Debatte und eine wesentlich andere Situation, als wir sie heute haben, weil es ja kaum mehr jemanden gibt aus der älteren Generation – ich weiß nicht, ob jemand hier im Raum ist? Ich bin Jahr­gang 1974, also mein Bezug zum Jahr 1934 ist ein sehr distanzierter, auch der meiner Großeltern. Das war in meiner Familie kein Thema, dementsprechend kann man dann natürlich auch anders damit umgehen und anders darüber diskutieren und darüber sprechen.

Abschließend und zusammenfassend möchte ich Folgendes sagen: Ja zu diesem Gesetz, Ja zu einer Versöhnung, Ja zu einem Versöhnungsgesetz, aber, bitte schön, die individuelle Schuld des Einzelnen kann auch durch ein Gesetz nicht genommen werden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.

 


12.02.03

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben mich jetzt ins Grübeln gebracht, Herr Kollege Jenewein, auch wenn ich nicht allem zustimme, was Sie gesagt haben. Ich überlege gerade, ob das ein Versöhnungsgesetz ist. Ich denke jetzt wirklich darüber nach – jetzt live hier sozu­sagen –, weil ich gerade versuche zu verstehen, was ein Versöhnungsgesetz sein könnte.

Ich glaube ja eher, es geht darum, dass das Unrecht, das damals ausgesprochen wurde, auch als Unrecht bezeichnet wird, und ich halte das nicht für eine Versöhnung, sondern für eine historische Korrektur, die aus meiner Sicht dringend notwendig war. Also ich glaube, wenn man das als Versöhnungsgesetz sieht, geht das schon ziemlich


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