BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 71

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Es entsteht nicht unberechtigterweise der Eindruck, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und dass gerade bei großen Vermögens- und Wirtschaftsdelikten, die von Menschen aus der Wirtschaft, aus der Politik begangen werden, die Staatsanwaltschaft zurückhaltender ist. Denn wie soll denn ein Bürger verstehen können, dass – und ich muss diesen Fall nennen – in der Causa Grasser seit zwei Jahren von der Staats­anwaltschaft ermittelt wird oder Ermittlungen geführt werden und bis zum heutigen Tag keine Anklageschrift vorliegt?

Was die Frage der Untersuchungshaft betrifft, bin ich als Juristin sehr vorsichtig – und mir ist bewusst, wie vorsichtig und sorgfältig man mit diesem Instrument umgehen muss –, aber aus meiner beruflichen Erfahrung als Anwaltsanwärterin kann ich nicht behaupten, dass sehr zimperlich mit diesem Instrument umgegangen wird. Ich würde mir wünschen, dass man nicht nur bei prominenten Persönlichkeiten, wenn es um die Frage der Untersuchungshaft geht, zimperlich wird, sondern bei allen Menschen, ganz unabhängig von Vermögen und Ansehen.

Es stehen ein Ex-Minister und persönliche Freunde des Ministers im Verdacht, sich mit Geldflüssen, die sich in Höhe von mehreren Millionen Euro bewegen – unter anderem auch im Zusammenhang mit dem Verkauf von österreichischem Staatseigentum –, bereichert zu haben. Ich rede von Verdacht. Die Liste der Vorwürfe wird von Tag zu Tag immer länger, und die Verdachtsmomente verhärten sich auch zunehmend. Sie vollständig aufzuzählen, würde den Rahmen der Rede heute sprengen, aber es gibt den Verdacht der Veruntreuung, der Bestechung, der Geschenkannahme, der Steuer­hinterziehung, und es ist tatsächlich für die Mensch nicht nachvollziehbar, weshalb die Ermittlungen so in die Länge gezogen werden. Es ist nicht verständlich, was die Gründe für die jahrelangen Ermittlungen sind, und die Frage stellt sich natürlich, ob nicht durch die Verzögerung Absprachen und die Unterdrückung von Beweismitteln möglich sind, so wie es der Fall auch in Liechtenstein gezeigt hat.

Solche Vorfälle, Frau Ministerin, fügen dem Ansehen der Justiz einen großen Image­schaden zu. Es entsteht das Bild einer Staatsanwaltschaft, die personell überfordert ist und nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt, um zügig und schnell Ermittlungsverfahren zu führen und sie abzuschließen.

Es entsteht weiters das Bild in der Bevölkerung, dass einflussreiche Menschen mit viel Geld und Macht sich von besten Anwälten vertreten lassen können, Millionenbeträge für Kautionen zahlen können und es sich irgendwie mit der Justiz richten können.

Die Justiz und natürlich auch die Politik haben die Aufgabe, diese schiefe Optik einer Zwei-Klassen-Justiz zurechtzurücken und dafür Sorge zu tragen, dass die Staatsanwaltschaft mit ausreichend fachkompetentem Personal ausgestattet wird, um den Herausforderungen komplexer Wirtschaftsstraffälle Herr zu werden.

Mit der Einrichtung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im September vorigen Jahres ist meines Erachtens auch ein richtiger Schritt gesetzt worden. Auf­grund der steigenden Anzahl der Fälle im Wirtschaftsstrafrecht wird man jedoch nicht darum herumkommen, in dieser Hinsicht mehr politische Verantwortung an den Tag zu legen – vonseiten des Justizministeriums, vonseiten der Politik generell.

Werte Kollegen und Kolleginnen, wir werden diesem Bericht natürlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl zu Wort. – Bitte.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite