BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 68

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Vergangenheit angesehen habe, glaube ich, dass wir hier sehr weit auseinander sind, was den Schutz von Interessenvertretungen betrifft.

Eine ähnliche Debatte wurde bereits im Rahmen eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch zur Verhinderung von Terrorismus geändert wird, geführt. Eine breite Debatte fand ebenfalls über Begriffsbestimmungen und Auslegungen statt. Hinter­gründe waren damals unter anderem der sogenannte Tierschützerprozess oder die Frage, ob die Audimax-Besetzung künftig vom Terrorismuspräventionsgesetz erfasst werden könnte, oder auch, ob die Besetzung der Hainburger Au 1986 die Bedingungen für eine terroristische Straftat nach den derzeitigen Bestimmungen erfüllt hätte.

Mit der nunmehrigen Novelle stellt sich künftig auch die Frage, ob eben zum Beispiel die Besetzung der Hainburger Au schon im Vorfeld hätte vereitelt werden können und ob dies unserem demokratischen Verständnis dann noch entspricht. Auch wenn diese Frage heute theoretischer Natur ist, so ist doch anzumerken, dass die Bestimmungen der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz nicht präzise genug formuliert sind – sofern dies überhaupt möglich ist –, um in Zukunft nicht einer anderen als vom Gesetzgeber intendierten Auslegung vorzubeugen. Denn von den vier Anzeigen ähnlich dem Tierschützerprozess haben nämlich drei Gerichte das Verfahren sofort eingestellt, und bei einem wurde auf eine Art und Weise ermittelt, die nicht gerade das ist, was man als erträglich empfunden hat.

Dieser Fall zeigt aber auch, dass mit Datenspeicherungen sensibel und sorgsam umgegangen werden muss. Harmlose Verdachtsfälle sollen nicht über Jahre hinweg unbegründet aufscheinen, sondern gelöscht werden.

Auch hinsichtlich des nunmehr vorliegenden Sicherheitspolizeigesetzes mit der Stär­kung der Terrorismusprävention durch Ausweitung des Begriffs der erweiterten Gefahrenforschung gilt: Vorverurteilungen dürfen durch sogenannte Erhebungen oder Datenspeicherungen nicht in Betracht kommen. Die Bestimmungen dürfen nicht so ausgelegt werden, dass die erweiterte Gefahrenforschung schon greift, wenn Einzel­personen durch harmlose Äußerungen – das Stichwort ist auch bereits gefallen – au­ffällig geworden sind, sich aber nicht kriminell betätigen. Voraussetzung für die Anwen­dung der erweiterten Gefahrenforschung auf Einzelpersonen soll sein, ob mit einer schweren Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu rechnen ist. Es stellt sich die Frage, ab welcher Schwelle von Verdachtsmomenten diese Kriterien überhaupt erfüllt werden.

Da die Zustimmung zur Verfolgung von dem im Innenministerium angesiedelten Rechtsschutzbeauftragten erforderlich ist – welcher allerdings, wie ja auch schon bekannt ist, nicht mit einer unabhängigen Behörde im Sinne der Strafprozessordnung gleichzusetzen ist –, werden die Rechtsschutzgarantien der Strafprozessordnung durch den Einsatz von Mitteln der Sicherheitspolizei unterlaufen. Auch der Begriff „schwere Gefahr“ lässt einen sehr großen Interpretationsspielraum zu.

Es geht aber nicht nur um gesetzlich gedeckte Befugnisse, sondern mittlerweile auch um einen einfachen Weg der Beobachtbarkeit von Einzelpersonen. Der Abhörskandal um die britische Boulevardzeitung „News of the World“ sollte uns auch nachdenklich stimmen, in welcher Welt wir heute überhaupt leben. Tausende Menschen sollen abge­hört worden sein. Gegenwärtig blicken wir auch gerne nach Ungarn, kritisieren dort die Einschränkungen der Pressefreiheit, und die EU setzt sogar ihr Verfahren gegen Ungarn unter anderem wegen Bedenken zu Datenschutz und Justiz aus. Die Regierung Viktor Orbán beschneidet Rechte der ArbeitnehmerInnen und schränkt gewerkschaftliche Aktivitäten, sprich Menschenrechte, ein. (Bundesrat Ertl: Die haben den Kommunismus abgeschafft!)

Angesichts dieser Entwicklungen ist auch in unserem Land Vorsicht geboten, dass durch eine differenzierte Auslegung der Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes nicht


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