BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 126

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nämlich diese Schwierigkeiten zu bewältigen, werden aber im öffentlichen Diskurs oft zum Anlass genommen, um den Sozialstaat per se schlechtzumachen; und jene, die schon immer für mehr privat und weniger Staat eingetreten sind, fühlen sich bestätigt wie noch nie.

Aber Sozialstaat bedeutet ja nicht nur die Absicherung bei Einkommensverlust – er umfasst die Bereiche der Bildung, der Gesundheit und der Altersvorsorge; und wir wissen, dass Ausgabenkürzungen Einschnitte im Sozialbereich zur Folge haben und die untersten Einkommensschichten am härtesten treffen.

Daher bin ich sehr froh darüber, Herr Minister, dass Österreich sich im Zuge der Budget­konsolidierung im Vergleich zu anderen EU-Staaten für den relativ maßvollen Weg entschieden hat. Immerhin weist Österreich die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa auf. Das zeigt natürlich sehr klar, dass Beschäftigung hier eine wichtige Priorität hat.

Viele EU-Staaten werden aber aufgrund der sehr hohen oder sehr strengen Aus­gabenkürzungen noch mehr in die Rezession getrieben, und diese Art der Politik löst meines Erachtens keine Budgetprobleme, sondern verstärkt sie nur; denn man sieht, dass man bei einem Entfall der Steuereinnahmen und einem Anstieg der Arbeits­losigkeit nicht wirklich behaupten kann, dass dadurch die Budgetproblematik einfacher wird, sondern sie wird in Wirklichkeit nur schwieriger.

Was die Politik auf EU-Ebene betrifft, ist mein Eindruck, dass sich die Wirtschafts- und Finanzpolitik seit der Krise nicht wirklich verändert hat. Wir haben nach wie vor eine neoliberale Wirtschaftspolitik, von einer Sozialunion sind wir leider noch weit entfernt, und angesichts der Krise ist die Austeritätspolitik immer strenger.

Den Staaten werden immer strengere Sparmaßnahmen aufgetragen, und gerade diese äußerst strengen Budgetvorgaben – jetzt komme ich wieder zu meinem Punkt des Wachstums und der Beschäftigung zurück, das ist der Grund, weshalb ich das alles erwähne – lassen aber befürchten, dass für eine vernünftige Beschäftigungspolitik eben nicht viel Raum und nicht viel Platz ist. Denn, da müssen wir sehr ehrlich und offen sein: Ohne finanzielle Mittel wird es auch keine Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen geben.

Ich finde es begrüßenswert, dass die Europäische Union Wachstum und Beschäftigung fördern will; entscheidend ist aber nicht das Ob, sondern das Wie: Wie wollen wir Beschäftigung und Wachstum schaffen? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Angesichts der Tatsache, dass diese rigide Austeritätspolitik sehr wenig Platz lässt, glaube ich, müssen da die EU-Mitgliedstaaten einen Spagat schaffen, der fast einem Kunstwerk gleichkommt; denn ich kann nicht auf der einen Seite noch härtere Spar­maßnahmen verlangen und auf der anderen Seite den Staaten vorwerfen, dass sie so eine hohe Arbeitslosigkeit haben und sich doch gefälligst dieses Problems annehmen sollen.

In der Europäischen Union gibt es zurzeit 23 Millionen Menschen, die arbeitslos sind. Wir haben in Spanien eine Arbeitslosenquote von 40 Prozent unter Jugendlichen – mit steigender Tendenz –, in Griechenland genauso. In Irland, Lettland und Litauen liegen wir bei einer Jugendarbeitslosigkeit von über 30 Prozent, in Portugal von über 20 Pro­zent. Diesen Staaten fehlen die finanziellen Mittel zur Bekämpfung des gravierenden Problems der Arbeitslosigkeit.

Das, werte Kollegen und Kolleginnen, sind aber junge Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, und bereits da keine Zukunftsperspektiven haben! Wenn wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen, wird dies weitreichende Konsequenzen haben: Ich darf nur erinnern, wohin uns die Massenarbeitslosigkeit der dreißiger Jahre


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