BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 89

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Der zweite Teil – meiner Auffassung nach der wichtigere Teil – behandelt die Frage der Obsorgeregelung. Darüber unterhalten wir uns ja wirklich schon lange, und ich glaube, über diesen Teil ist besonders lange verhandelt worden. Das war ja auch zwischen den Regierungsparteien immer ein bisschen strittig. Die einen waren für die gemeinsame Obsorge – so wie wir auch seit Jahren – und die andere Seite war weniger dafür, sie hat da immer eine große Gefahr gesehen. Aber man hat sich auf etwas einigen kön­nen.

Das finde ich zu einem Teil wirklich gut. Auch wenn wir dieses Gesetz ablehnen wer­den, heißt das nicht, dass wir sagen: Alles an diesem Gesetz ist schlecht, alles ist furchtbar. Nein, es gibt durchaus gute Teile in diesem Gesetz, zum Beispiel die Aufhe­bung der Ungleichbehandlung lediger Väter und lediger Mütter. Das war uns auch schon lange ein Anliegen, wir haben dazu auch vor allem im Nationalrat viele Anträge gestellt. Das finde ich gut so.

Ich finde es gut, dass eine gemeinsame Obsorge unehelicher Eltern beim Standesamt beantragt werden kann, denn die Tatsache, dass man nicht verheiratet ist, bedingt ja nicht, dass man nicht gemeinsam für ein gemeinsames Kind sorgen kann. Auch gut ist, dass ledige Väter ein alleiniges Obsorgerecht beantragen können, so es Gründe gibt, warum es der Mutter nicht zugesprochen werden sollte. Allerdings – und das bleibt – bleibt das Kind ohne Einigung bei der Mutter. Das finde ich auch völlig in Ordnung.

Der wesentliche Grund, warum wir es ablehnen, ist, dass unserer Intention, die wir immer hatten, nämlich dass diese gemeinsame Obsorge generell im Gesetz verankert wird, nicht Rechnung getragen worden ist. Ich glaube zu wissen, warum: Der Kompro­miss wäre nicht zustande gekommen, weil die Positionen zu weit auseinander waren. Diese generelle Verankerung einer gemeinsamen Obsorge im Gesetz war uns wirklich ein Anliegen. Alleinige Obsorge gibt es nach wie vor dann, wenn es keine andere Mög­lichkeit gibt, also wenn man sich nicht einigen kann.

Wir hatten ja auch ein sehr interessantes Hearing zu diesem Thema, wo sehr viele Ex­perten geladen waren. Da hat es natürlich auch unterschiedliche Meinungen gegeben, wie das eben so ist, und das soll ja auch so sein. Das belebt die Demokratie und viel­leicht überlegt dann der eine oder andere, ob nicht ein anderer in bestimmten Punkten doch auch recht haben könnte. Es haben eben auch deutsche Experten über sehr po­sitive Erfahrungen gesprochen, was die gemeinsame Obsorge anbelangt. Daher haben wir das nicht ganz verstanden oder – sagen wir so – daher sind wir traurig, dass unse­rem Wunsch nicht Rechnung getragen wurde, dass sie generell im Gesetz verankert wird.

Zur Abkühlphase von sechs Monaten, die jetzt verordnet wird: Ich weiß, einige meiner Kollegen im Nationalrat haben das sehr kritisch gesehen. Ich denke mir, dass sie schon ein bisschen bringen wird. Ich hoffe zumindest, dass eine Deeskalation zwi­schen den Ehepartnern stattfinden kann. Meistens ist es ja so, dass bei einer Schei­dung alles aufgeheizt ist. Die Emotionen schießen ins Kraut und übers Ziel hinaus, und eigentlich möchte man in dieser Phase nur dem anderen irgendwie wehtun. Meistens verwendet man das Kind dafür – das Unschuldigste, das am wenigsten dafür kann, das das überhaupt nicht versteht, beide Eltern liebt und eigentlich möchte, dass alles so bleibt, wie es ist. Dann gibt es ein Herumgezerre um die Kinder, was dem Kind sicher­lich nicht guttut. Daher glaube ich, dass so eine Abkühlphase durchaus etwas bringen kann.

Damit sind wir auch schon beim Kindeswohl. Erstmalig ist ja auch im Gesetz definiert, was wir unter Kindeswohl verstehen. Den Begriff hat es immer gegeben, aber nie­mand hat genau gewusst oder jeder hat andere Vorstellungen davon gehabt, was das Kindeswohl eigentlich ist. Es ist auch richtig so, das Hauptaugenmerk darauf zu legen.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite