BundesratStenographisches Protokoll819. Sitzung / Seite 19

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seher! Bevor ich mich dem von Vizekanzler und Außenminister Spindelegger gewähl­ten Thema „Initiative für Religionsfreiheit und gegen Christenverfolgung“ zuwende, schicke ich zwei Bemerkungen voraus.

Erstens: Ich war und bin nach wie vor über die Wahl des Themas erstaunt, denn mei­ner Meinung nach gibt es eine ganze Reihe europäischer – und wir haben heute einen Europatag hier im Bundesrat –, aber auch globaler Themen, die von extrem wichtiger Bedeutung sind und die aktives Handeln von Österreich erfordern.

Angesichts der Finanzkrisen, die Auswirkungen auf alle europäischen Staaten haben und die nicht nur Angelegenheit der Finanzministerinnen und Finanzminister sind, er­scheint es mir eigentlich wichtiger zu klären, was das Außenministerium, was der Vize­kanzler unternimmt, um die inakzeptablen hohen Arbeitslosenraten, insbesondere die der jungen Menschen, die eine Tragödie für Europa sind, zu vermindern. Im Februar waren in der EU-27 mehr als 5,5 Millionen Menschen im Alter von unter 25 Jahren ar­beitslos.

Was sind die Konzepte, die wir haben, um Armut in Europa zu bekämpfen, um Men­schenhandel zu unterbinden, insbesondere was die illegale Prostitution betrifft, die nicht nur in Salzburg ein Problem darstellt? Warum gelingt es nicht, sozialen Ausgleich zwischen den europäischen Staaten voranzutreiben? Es ist ein Armutszeugnis für Eu­ropa, dass seine BewohnerInnen in großer Zahl zum Beispiel auch zu uns nach Ös­terreich kommen, um hier als Bettler ihr Leben zu fristen. Im Übrigen hat die ÖVP eine Initiative in Salzburg abgelehnt, die darauf abzielt, in Südosteuropa Armut zu bekämp­fen. (Ruf bei der ÖVP: Sie haben die falsche Rede mit! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich bin immer noch bei meinen Vorbemerkungen, zum eigentlichen Thema komme ich noch.

Die Themen Landwirtschaft, Umwelt, Verkehr sind brennende Themen in Europa, ge­nauso wie steigender Antisemitismus und Islamophobie. Die Rechte von Frauen und Kindern weltweit zu sichern und Minderheitenrechte überall zu stärken sind dringende Anliegen großer Bevölkerungsgruppen. Und vergessen wir nicht: Europa hat den Frie­densnobelpreis bekommen! Das ist Anerkennung, aber auch Auftrag für die Zukunft. – Was machen wir hier, in Österreich?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, aber Menschenrechte sind auch das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, ein­schließlich Nahrung und Wohnung, das Recht auf soziale Sicherheit, Gesundheit und Bildung. (Beifall bei der SPÖ.)

Das betrifft auch die Entwicklungszusammenarbeit, für die der Herr Vizekanzler auch zuständig ist, denn ein menschenrechtsbasierter Ansatz zielt darauf ab, die Förderung der Menschenrechte und entwicklungspolitische Ziele in Einklang zu bringen. Auch die­ses Thema bietet vielfältige Diskussionsmöglichkeiten.

Wie gesagt, viele Themen stehen an. Religionsfreiheit ist, global gesehen, sicherlich ein wichtiges Thema, betrifft aber nur einen der 30 Grundartikel der Allgemeinen Erklä­rung der Menschenrechte und kann sicher nicht isoliert gesehen werden.

Zweite Vorbemerkung: Ich selbst bin Mitglied der katholischen Kirche.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Religion gehört zweifelsohne zu den stärksten Kräf­ten, die Menschen zum Guten wie zum Bösen beeinflussen und auch prägen können. Religionen setzen Werte, vermitteln Orientierung und Identifikationsmöglichkeiten. Reli­gion wird aber auch immer wieder dazu missbraucht, gröbste Verstöße gegen die Men­schenrechte unter Verweis auf die sogenannten höheren Ziele zu beschönigen und zu rechtfertigen. Was es hier braucht, ist Toleranz. Das bedeutet, dass jede Person das Recht hat, ihre Religion frei zu wählen und auszuüben, solange sie dadurch die Rechte


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