BundesratStenographisches Protokoll819. Sitzung / Seite 28

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Paradies zu schaffen, und wenn wir es nicht tun, dann liegt das nur an uns, kein ande­rer ist dafür verantwortlich!

Ich bin für eine Welt, eine Menschheit und letztlich eine Wissenschaft, die beides um­fassen, die Verbindung von Religion und Wissenschaft, eine Wissenschaft, die sich so­wohl um die äußere als auch um die innere Welt kümmert. Angehörige einer Religion, welche Angehörige einer anderen Religion oder Atheisten verfolgen, erniedrigen, ihnen Rechte vorenthalten, sie sogar ermorden, haben den Kern, welcher allen Religionen zugrunde liegt, nicht verstanden.

Wir dürfen einander nicht als Fremde betrachten. Wir sind die Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zweiges. Und ich bin der tiefsten Überzeugung, dass keiner das Recht hat – keiner! –, sich über den anderen zu erheben. (Bundesrat Kneifel: Jetzt wird es lyrisch!) Blindheit und Hass haben seit Jahrtausenden die Menschheit an den Abgrund geführt, zumeist geführt von zwei Kräften: der Politik und einer instrumentali­sierten Religion. Wahre Religion bedarf keiner politischen Instrumentalisierung. Wahre Religion kommt aus dem Inneren des Menschen, so wie das Haci Bektas Veli bereits im 13. Jahrhundert gesagt hat: Was immer du auch suchst, suche es in dir!

Die Trennung von Staat und Religion bedeutet für mich nicht, Religionen zu verbieten oder Gläubige als Staatsbürger zweiter Klasse zu behandeln. Als Beispiel möchte ich hier die Türkei anführen. Was ist passiert? – Die ehemals säkular-kemalistische Elite des Landes hat genau durch diese Verhaltensweisen bewirkt, dass jetzt eine islamisch-islamistische Elite diese abgelöst hat. Die Situation der religiösen Minderheiten wie et­wa der Christen oder der Aleviten in der Türkei sorgt nach wie vor für Diskussionsstoff, insbesondere das Kloster Mor Gabriel oder auch die Nichtanerkennung des Aleviten­tums als eigenständige Religion in der Türkei, wo die meisten Aleviten und Alevitinnen leben.

Österreich hat da eine Vorreiterrolle eingenommen, und darauf können wir alle stolz sein. Österreich hat die 60 000 Aleviten und Alevitinnen, die in Österreich leben, als ei­genständige Religionsgemeinschaft anerkannt. Damit haben sie natürlich Rechte er­halten, die ihnen bis vor Kurzem noch vorenthalten wurden.

Die Situation der religiösen Minderheiten in anderen Ländern steht ebenfalls unter in­ternationaler Beobachtung, seien es Verfolgungen gegenüber den Bahai im Iran oder den christlichen Minderheiten in den arabischen Ländern, den Zeugen Jehovas in Russland oder in der Ukraine oder auch in der Türkei und in Aserbaidschan wegen der Wehrdienstverweigerung. Aber auch Angehörige des jüdischen Glaubens werden seit Tausenden von Jahren verfolgt, und ihnen wird von manchen Gruppen und Bewegun­gen jegliche Existenzberechtigung abgesprochen.

Angehörige dieser Religionen sind nach wie vor mehr oder weniger Gewalt ausgesetzt, und an der Spirale der Gewalt wird im Zuge der Umbrüche in der arabischen Welt mit unüberschaubarer Geschwindigkeit gedreht, die Gewalt nimmt dramatisch zu. Da spie­len eine doppelbödige Politik und auch eine falsch interpretierte und instrumentalisierte Religion eine wesentliche Rolle.

Sehen wir uns die Situation etwas genauer an: Was erkennen wir? Wer verfolgt wen? Wer bekommt von wem Unterstützung? Wer finanziert Waffen? Welche Allianzen – in­nerislamisch und seitens der westlichen Mächte – werden eingegangen? Welche Rolle spielen die Machteinflüsse des Westens im Kampf um Absicherung und Zugang zu den Ressourcen?

Wir befinden uns im Krieg! Wir befinden uns im Krieg um die verbleibenden und knap­per werdenden Ressourcen. Die Religion wird dabei missbraucht, um die Massen zu mobilisieren. Wer würde schon in den Krieg ziehen, damit wir genügend Treibstoff für unsere Tanks bekommen? Durch eine falsch verstandene und instrumentalisierte Reli-


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