BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 45

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Ich glaube, bei der Bildungsfrage – und das ist das, was ich an all diesen Gesetzen immer vermisse, so jetzt auch bei der Lehrerausbildung – sind die Ziele der Bildung wesentlich. Was heißt das überhaupt: Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit? Bei der Bildung geht es darum, dass Chancen genützt werden, und Chancen sind vorhanden – man muss sie nur nützen. Auch jene Schüler, die zu den 20 Prozent gehören, die die Schule verlassen und nicht ausreichend lesen und schreiben können, könnten diese Chancen nützen, tun es aber nicht. Es geht also um Chancen­nut­zung – und nicht um Chancenverteilung, durch die dann vermeintlich alles gerech­ter wird.

Auch der Bildungsforscher Josef Hitpaß hat schon 1981 festgestellt: Massenbildung fordert als Tribut Niveauverlust. – Das haben wir zu einem nicht unerheblichen Teil in den letzten Jahren schon feststellen können, vor allem in den Gymnasien, aber auch in den Hauptschulen. Sie nehmen das in Kauf. Frau Ministerin Karl hat ja einmal gesagt: Matura für alle. Dort soll der Zug hinfahren! Allen soll es möglich sein, die Matura zu machen. Das wird aber nicht gelingen, auch nicht mit der besten Chancengleichheit und der besten Chancengerechtigkeit, weil Menschen und auch Schüler nun einmal unterschiedlich sind.

Wir sagen natürlich, dass Lehrer bestmöglich ausgebildet sein müssen und dass wir auch wirklich nur die Geeignetsten nehmen dürfen. Das ist selbstverständlich, und das ist ja ein Grundsatz, dem sich ohnehin niemand verschließt. Das heißt aber nicht, dass es den Lehrern gelingen muss, alle Kinder gleich zu befähigen, weil es eben, wie schon gesagt, Unterschiede gibt.

Einer Ihrer Parteigänger, Frau Minister Schmied, ein Direktor einer großen HTL in Wien, hat schon in den neunziger Jahren gesagt – wofür er sich sehr viel Schelte der SPÖ eingehandelt hat –: Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass nicht alle Kinder gleich bildungsfähig und auch nicht alle gleich bildungswillig sind.

So wird es immer sein. Es wird immer Eltern geben, die ihre Kinder mehr fördern, die mehr Wert auf Bildung legen, die ihnen vorlesen et cetera, et cetera. Das werden Sie nicht nivellieren können, was auch immer Sie in Sachen Ausbildung, Gesamtschule et cetera tun. Das muss man eben einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Man darf nicht immer so tun, als ob es das nicht gäbe.

Diese neue Lehrerausbildung orientiert sich natürlich auch an der Bologna-Struktur. – Auch diese beziehungsweise deren Umsetzung kann man durchaus kritisch hinter­fragen. Also das Gelbe vom Ei ist sie nicht, und sie bringt auch nicht das, was man sich von ihr erwartet hat. Es ist in Wirklichkeit nicht so, dass die Mobilität tatsächlich so stark gestiegen ist, und es stimmt auch nicht, dass die Bildungsabschlüsse so stark zugenommen haben. Also alle Hoffnungen, die man da hineingelegt hat, und alles, worauf man sich geeinigt hat, tritt gar nicht in dem erwarteten Maße ein. Wir orientieren uns jedoch jetzt beim Lehramtsstudium wieder an der Bologna-Struktur!

Wenn Sie schon sagen, der Lehrberuf soll akademisiert werden, dann frage ich Sie: Was glauben Sie, wird besser werden, und welchen Mehrwert werden wir dadurch haben, dass zum Beispiel die Lehrer der Primarstufe jetzt um ein Jahr länger studieren müssen? Es gibt übrigens interessanterweise manchmal ja doch Überschneidungen zwischen Parteien, auch wenn diese ideologisch sehr weit auseinanderliegen. Wir waren bei einem Gespräch in der Pädagogischen Hochschule Tirol, und es ging um Berufsschullehrer, die dieses Lehramt im berufsbegleitenden Studium angestrebt haben. Die Kollegin von den Grünen, nämlich Gabi Moser – die zwar nicht eure Bil­dungssprecherin ist, das weiß ich schon –, hat ein bisschen salopp, aber durchaus gerechtfertigt gefragt, was jetzt eigentlich die Regierung glaubt, dass diese Lehrer mehr werden können und was sie in den sechs Jahren eigentlich lernen sollen. Das


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