BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 118

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Ich werde darauf in der Behandlung der Dringlichen Anfragen noch einmal eingehen, wenn wir dann über Konjunkturpakete reden.

Es besteht überhaupt kein Zweifel, in der Europäischen Union herrscht – ob man das jetzt gut oder schlecht findet – eine Erweiterungsermüdung. Die Europäischen Union ist mit sich selbst beschäftigt, sie hat Probleme zu bewältigen, die, seit es die Euro­päischen Union gibt, so in der Form noch nicht zu bewältigen waren. Man ist mehr mit sich selbst beschäftigt als damit, sozusagen den Erweiterungsradius zu vergrößern, und selbstverständlich – und das ist ja auch in gewissem Maße nachvollziehbar – wird natürlich jetzt auch stärker darauf geschaut, welche Probleme, aber auch welche Chancen durch Beitrittsverhandlungen mit den jeweiligen Staaten entstehen, wobei vielleicht die Chancen zu wenig beleuchtet werden.

Wir persönlich freuen uns sehr darüber – das steht ja jetzt unmittelbar vor der Tür –, dass Kroatien der Europäischen Union beitritt, aber es wurde auch der restliche Westbalkan angesprochen, und da gibt es noch viele Hürden zu überwinden, aber auch Chancen wahrzunehmen.

Ich bin ja in den achtziger und neunziger Jahre sozusagen politisiert und bin auch unter dem Eindruck der Balkan-Kriege gestanden und darunter, dass die Europäischen Union eine Perspektive darstellen kann, dass diese Nationalitätenkonflikte überwunden werden können, dass Grenzen überwunden werden können. Das ist sicher schwierig – Stichwort: Verhältnis Serbien und Kosovo; Stichwort: innerstaatliche Grenzen eigentlich innerhalb Bosniens; das ist sicher noch ein Riesenthema –, aber ich glaube, dass auch Österreich dazu einen ganz wertvollen Beitrag leisten kann.

Nicht ganz nachzuvollziehen ist die Problematik aber dort, wo sie fast zum Kinder-garten wird. Das ist bei der Namensbezeichnung Mazedonien der Fall. Da könnte sich Österreich vielleicht wirklich einmal als Mediator anbieten, Herr Staatssekretär! Griechenland würde wahrscheinlich eher aus der Europäischen Union austreten, als den Namen Mazedonien zu akzeptieren. – Das ist jetzt salopp dahergesagt, das gebe ich zu, aber das ist mittlerweile tatsächlich ein Kindergarten. Da braucht man wirklich einen Mediator, denn dass die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen an dem Namen Mazedonien scheitert, das ist ja geradezu absurd.

Den Hauptaspekt meiner Rede möchte ich natürlich der Türkei widmen. Ich möchte auf Frau Bundesrätin Mühlwerth replizieren – leider ist Sie jetzt gerade nicht da, aber es sind andere freiheitliche Abgeordnete anwesend. Die freiheitlichen Abgeordneten sind wirklich Meister und Meisterinnen darin, die schreckliche Situation in vielen Ländern darzustellen – sogar richtigerweise, damit habt ihr ja oft recht, aber ich glaube es euch erst, wenn ihr die Asylwerber und Asylwerberinnen, die aus diesen Ländern aus den Gründen, die ihr selber nennt, fliehen, um hier Schutz zu suchen, nicht generell und pauschal immer wieder mit Missbrauch, Kriminalität und dergleichen in Zusam­men­hang bringt und in einen Topf werft. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bun­desräten der ÖVP.)

Wenn Frau Mühlwerth sagt, wenn es diesen Türken in der Türkei doch so viel besser gefällt als bei uns, was von den Demonstranten keiner gesagt hat, muss man auch ganz offen sagen (Bundesrat Hafenecker: Gestern im „Report“ ...!), dann erkennt man daran aber auch eine gewisse Einstellung. – Ich bin auch ein Zuwanderer. Ich bin halt nicht so ein Zuwanderer, wie ihr es immer seht, nicht einer der „bösen“, denn ein Holländer ist ja ein „guter“ Zuwanderer. (Heiterkeit bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.) – Dijsselbloem übrigens.

Aber es geht offenbar nicht in eure Köpfe hinein – und das verstehe ich nicht! –, dass Identität nicht etwas ist, was man an- und ablegen kann. So funktioniert Mensch nicht! Ich werde immer ein begeisterter Österreicher sein, so wie ich eine holländische


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