BundesratStenographisches Protokoll825. Sitzung / Seite 73

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Nächster Kritikpunkt: der fachfremde Unterricht. Es wird jetzt gleich der Einwand kom­men, das ist auch jetzt schon geltende Rechtslage, das kann man jetzt auch schon ma­chen. (Bundesrätin Mag. Kurz: Ja, genau!) – Leider, muss ich sagen, zum Teil leider.

Es gibt natürlich immer wieder Momente im Schulleben, dass man sagen muss, es muss schnell jemand einspringen. Er unterrichtet dann drei Wochen lang Chemie, weil ein anderer krank ist und es diese Reservepools, diese Supplier-Reservepools nicht mehr gibt und so weiter. Jetzt aber reden wir von einer Unterrichtsverpflichtung von bis zu einem Jahr. Erst nach einem Jahr muss der Betreffende gefragt werden, ob er das überhaupt will.

Es stellt sich auch die Frage, wie qualitätsvoll der Unterricht an einer AHS-Unterstufe und viel mehr noch an einer Oberstufe gestaltet wird. Ich ziehe jetzt nicht den Vergleich heran, dass der Turnlehrer dann Chemie unterrichtet, aber vielleicht muss ja der Deutschlehrer Chemie unterrichten, ein Fach, für das er nicht ausgebildet ist. Wir kön­nen davon ausgehen, dass ein Deutschlehrer an einer AHS – der Matura hat, ein Stu­dium gemacht hat – durchaus noch einiges von seiner Schulzeit weiß, aber das ist ein­fach zu wenig. Es ist einfach zu wenig! Man darf erwarten, dass in der Schule ein qua­litätsvoller Unterricht stattfindet, denn es sind unsere Kinder, unsere Jugendlichen, die gerüstet sein müssen für einen globalen Wettbewerb von morgen. Auch wenn wir die globalisierte Welt vielleicht nicht wollen oder nicht so toll finden, es gibt sie – man muss der Wirklichkeit ins Auge sehen –, und wir werden sie nicht per Dekret abschaffen kön­nen.

Das heißt, unsere jungen Menschen müssen gerüstet sein. Gerüstet zu sein für einen Wettbewerb heißt auch, gebildet zu sein, zu verstehen, worum es eigentlich geht. Es geht ja nicht nur um Wissen, sondern auch um Bildung, darum, zu hinterfragen: Was ist das? Worum geht es? Wie kann man es besser machen? Stimmt das, was die an­deren sagen? Und so weiter und so weiter, ich glaube, darin sind wir uns weitgehend einig. Irgendwo spießt es sich dann nur immer wieder bei der Umsetzung, weil Sie das anders sehen als wir, was in einer Demokratie aber eben so ist.

Das ist wirklich ein Wahnsinn. Wenn man einen fachfremden Unterricht zur Institution macht, dann kann ich nur sagen: Das wird in die Hose gehen. Dann wird unser Bil­dungssystem, das immer noch ganz gut ist, einfach nicht mehr das sein, was es ist, und das kann nicht unser Ziel sein!

Das Nächste, das fehlt, das in diesem Zusammenhang fehlt, und ich sage das nicht zum ersten Mal hier von diesem Pult aus: Der Lehrer ist dazu da, zu unterrichten. Dass er heute schon vielfältige Aufgaben, die eigentlich die Gesellschaft, die Eltern wahrneh­men sollten, übernehmen muss, ist traurig genug, ist schlimm genug. Dadurch geht schon viel Zeit für die Wissensvermittlung verloren, wobei ich nicht sage, dass Erzie­hung mit Unterrichten nichts zu tun hat, aber es kommt halt darauf an, in welchem Aus­maß. Muss er bei den Schülern bei null anfangen oder kann er irgendwo weiterführend und begleitend tätig sein?

Dazu fehlt einfach das Begleitpersonal. Das, was in dem Paket festgeschrieben wor­den ist, wird zu wenig sein. Es braucht wirklich zusätzliches Personal, das den Lehrern den Verwaltungskram abnimmt, Personal, das bei „schwierigen“ Schülern psycholo­gisch eingreift. Es braucht Sozialarbeiter, und es wäre auch ganz gut – in Finnland gibt es das –, sogenannte Assistenten – das sind in den meisten Fällen Eltern – zu haben, die keine Fachausbildung haben müssen, sondern einfach nur begleitend irgendwohin mitgehen, zu einem Lehrausflug oder was auch immer. Das alles fehlt, und das alles wird auch durch das neue Dienstrecht nicht mehr werden. Darunter werden wir noch sehr, sehr, sehr leiden.

Ebenso werden wir auch noch darunter leiden, dass sich viele überlegen werden, ob sie wirklich noch Lehrer werden wollen. Es könnte uns passieren, dass wir in eine Si-


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