BundesratStenographisches Protokoll832. Sitzung / Seite 35

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Ich bin davon überzeugt, dass es tiefgreifende Reformen braucht, um die weitere Finanzierbarkeit gerade auch im Sozialbereich zu gewährleisten, um das Engagement, das es braucht, aufrechtzuerhalten und auszubauen, um Transparenz herzustellen und auch um nicht Unsummen in Transfers zu versenken, da ja Steuern und Abgaben zum großen Teil zentral eingenommen werden, um dann über ein doch sehr hoch kom­plexes System – genannt: Finanzausgleich – wieder verteilt zu werden. Seit den 1970-er Jahren gibt es Kritik an Fehlentwicklungen dieses Systems. Es gibt zahlreiche Reformvorschläge, aber die letzten Finanzausgleiche waren geprägt von einem tiefen Misstrauen zwischen den Finanzausgleichspartnern. Und dieses Misstrauen geht über die Mittelverteilung weit hinaus und manifestiert sich im föderalen System, manifestiert sich auch in Blockaden wichtiger Reformen im Bereich Bildung, im Bereich Gesundheit, im Bereich Kinderbetreuung, im Förderwesen.

Ich bin aber auch davon überzeugt, dass es starke Länder braucht, insbesondere im Bereich Soziales. Damit die Länder und vor allem auch die Gemeinden diese Rolle wahrnehmen können, braucht es, so bin ich überzeugt, eine tiefgreifende Föderalis­musreform und eine Reform des Finanzausgleichs. Das kann nur mit den Menschen vor Ort funktionieren, nicht für sie, sondern nur mit ihnen. Punktuelle Maßnahmen verkomplizieren das System nur noch mehr, erhöhen in den meisten Fällen die Bürokratie, die Vorschriften und damit die Kosten und verringern Effizienz und Trans­parenz.

Darum glaube ich, es wäre eine wichtige und eine wünschenswerte Rolle für den Bundesrat, diesen Prozess in den Ländern zu starten, nämlich dort zu erfahren und klarzulegen: Was wollen die Menschen dort erledigen? Was wollen sie selbst gestalten, und was brauchen sie dazu? Wie kann dann Kooperation mit den anderen Ebenen der Politik sichergestellt und organisiert werden?

Ich glaube, wir müssen in dieser Frage viel stärker als bisher auf moderne Organi­sationsformen, viel stärker auf moderne Methoden der Kommunikation zurückgreifen, um diesen Prozess zu organisieren und dann umzusetzen. Aber dem Ziel Subsidiarität, dem sich der Bundesrat so stark verschrieben hat und das auch so ein wichtiges Schlagwort der EU ist, muss Leben eingehaucht werden. Reformföderalismus ist nur mit neuen Strukturen möglich, und das ist Voraussetzung für eine Erneuerung des Finanzausgleichs.

Gerade in Kärnten, aber auch in Salzburg – zwei Länder in einer dramatischen Schul­denkrise – hat sich die Bevölkerung etwas anderes verdient als Klagen über leere Kassen. Vor allem im sozialen Bereich muss es zu linearen Kürzungen kommen, und so weiter. Wenn es gelingt, gerade in diesen Fällen ein großes neuartiges Föderalis­musprojekt zu etablieren, das zeigt, wozu eine an einem Strang ziehende koordinierte Politik von Bund, Ländern und Gemeinden fähig ist, dann könnte man zeigen, dass all das, was die Europäische Union den südeuropäischen Ländern von wenig bis gar nicht angedeihen ließ und lässt, durch Zusammenarbeit exemplarisch möglich ist.

In der Not wächst die Solidarität zwischen den Menschen. Die Konsolidierungspolitik, die die Bundesregierung auf Basis der neuen Economic Governance dem gesamten Staat verordnet hat, bringt, so fürchte ich, Kärnten kein nachhaltiges Wachstum, son­dern weiter sinkende öffentliche Investitionen und unter Umständen zunehmende Arbeitslosigkeit und auch Abwanderungen. Die Schulden werden hoffentlich relativ leicht sinken, aber durch Budgetkonsolidierung und durch anhaltende Blockaden der föderalen Politik werden unter Umständen viele Chancen nicht genutzt.

Das heißt, ein rascher, von Solidarität getragener nachhaltiger Impuls für einen neuen Föderalismus kostet wenig Geld, wäre aber wichtig für die Demokratie. Den Erfor­dernissen der Bürger und Bürgerinnen würde besser entsprochen, die Nutzen von


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