BundesratStenographisches Protokoll832. Sitzung / Seite 135

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davon, dass österreichische Staatsbürger bei der Einreise in die Türkei länger auf­gehalten werden, weil auch die Fragen gestellt werden, wie es mit dem Wehrdienst ausschaut und ob der Wehrdienst abgeleistet wurde. Und wenn er dann im Computer als türkischer Staatsbürger aufscheint, der seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet hat, dann hat er ein Problem. Das ist auch klar.

Aber es hat natürlich auch Vorteile, wenn man einerseits als österreichischer Staats­bürger völlig rechtmäßig sämtliche Leistungen des hiesigen Staates in Anspruch nehmen kann, andererseits aber sein Wahlrecht nicht nur in Österreich, sondern auch in der Türkei ausüben kann. Und das weiß Herr Erdoğan natürlich ganz genau, weil man davon ausgehen kann, dass es sich bei diesen Doppelstaatsbürgerschaften um eine institutionelle Sache handelt: Dass es diese gibt, ist nicht einfach ein Zufall, sondern es wird ganz bewusst von der türkischen Regierung versucht, jene Türken, die die Staatsbürgerschaft europäischer Länder erworben haben, dazu anzuhalten, die türkische Staatsbürgerschaft wiederum zu bekommen, um auch das Wahlergebnis in der Türkei zu beeinflussen.

Die derzeitige politische Lage in der Türkei soll heute nicht unser Thema sein. Wir kennen die gegenwärtige politische Lage, ich kenne sie auch persönlich, weil ich mehrmals als Wahlbeobachter auch in Kurdistan war. Ich war mit einer offiziellen Delegation der Stadt Wien in Diyarbakir, habe mir das angesehen und habe dort auch gesehen, wie zum Beispiel mit dem Bürgermeister von Diyarbakir umgegangen wird, weil er sich „erdreistet“, auf seiner Amtstüre die Bezeichnung „Bürgermeister“ nicht nur in türkischer Sprache, sondern auch in kurdischer und in englischer Sprache anzubringen: Das hat dazu geführt, dass gegen ihn ein Verfahren eröffnet wurde. – Nur so viel zur Rechtssituation in der Türkei. Das ist völlig unakzeptabel!

Jedenfalls ist es aber notwendig, dass wir uns – wie ich zuerst schon gesagt habe – jetzt damit beschäftigen, also auch an einem Tag wie heute und natürlich auch in diesem Hause, weil hier die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden müssen, um diesen Missbrauch abzustellen. Das wünsche ich mir nicht nur von der österreichi­schen Bundesregierung, sondern das fordere ich von der österreichischen Bundes­regierung! Es geht nämlich nicht an, dass solche Trennlinien, die oftmals so dargestellt werden, als würden sie zwischen Österreichern und Zuwanderern beziehungsweise in diesem Fall zwischen Österreichern und Türken verlaufen, eigentlich auch durch die türkische Community verlaufen.

Es hat sich nämlich gerade bei dieser Veranstaltung von Erdoğan gezeigt: Die Gegen­demonstranten hatten zwar nicht die Stärke wie jene, die an der Veranstaltung in der Eishalle teilnahmen – das ist schon klar –, es wurde dabei aber auch ein deutliches Zeichen gegeben und eine laute Stimme für Demokratie und gegen Unterdrückung und gegen Ausgrenzung erhoben.

Klar ist nämlich auch: Wenn die europäischen Werte ständig angesprochen werden – und es gibt kaum eine politische Debatte in diesem Haus oder sonst wo, in der es nicht auch um Europa geht –, dann kann man es sich nicht erlauben, diese europäischen Werte auszublenden. Im Hinblick darauf müssen wir natürlich gerade bei einem Staat, der Mitglied der Europäischen Union werden möchte, diese Werte ganz eindeutig in den Vordergrund stellen.

Da genügt es nicht, dass den Kurden unmittelbar vor einer Wahl ein Radiosender genehmigt wird und man sagt: Wir lassen ihnen ohnehin die Medienfreiheit! Liebes Europa, schaut euch das an, wir sind ohnehin ganz gute Menschen!

Das genügt nicht! Vielmehr müssen die 130 000 oder 140 000 armenischen Bewohner in der Türkei jene Rechte bekommen, die ihnen zustehen, anstatt dass diesen Leuten von Herrn Erdoğan ausgerichtet wird, dass es ja eigentlich nur 70 000 türkische Staats-


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