BundesratStenographisches Protokoll832. Sitzung / Seite 144

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minister sitzen würde und wir zur Thematik, was in Syrien passiert, was im Nahen Osten passiert oder auch, was in der Ukraine passiert, diskutieren würden. Das wäre für mich viel dringlicher als diese Diskussion um die türkischen Staatsbürgerschaften oder auch Nicht-Staatsbürgerschaften. – Das einmal zum einen.

Wir befinden uns im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe der Welt, das ist unbestritten. Unsere Wirtschaft braucht gute Facharbeitskräfte, und da gibt es jetzt unterschiedliche Möglichkeiten, wie wir zu diesen guten Facharbeitern und auch Wissenschaftlern und Experten beziehungsweise Expertinnen kommen können. Eine der Möglichkeiten wäre, wenn wir die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen wür­den. Auch wenn es manchen von uns ideologisch nicht passt, aber die deutschen Kollegen haben es uns vorgelebt. Sie haben vor Kurzem beschlossen, dass jene Staatsbürger, die bis zum 21. Lebensjahr eine andere Staatsbürgerschaft gehabt haben, nun die Möglichkeit haben, sich auch um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bemühen.

Lassen Sie mich so offen sein, Kritik in Richtung Regierung, aber auch Kritik in Richtung der Linken, der SPÖ und auch der Grünen anzubringen: Einen Automatismus zu entwickeln bei der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft in Anlehnung an die Aufenthaltsdauer ist meiner Meinung nach ebenso ein Fehler, wie man diese an eine Mindestaufenthaltsdauer knüpfen würde.

Ich bin beruflich und auch privat wirklich mit sehr vielen Menschen aus unterschied­lichen Ländern, Kulturen und Religionen in Kontakt. Ich kann Ihnen eines garantieren: weder die Aufenthaltsdauer noch das Herkunftsland noch die Religionszugehörigkeit sind ausschlaggebend für die Einstellung, für die Geisteshaltung, die diese Menschen mitnehmen. Es ist einzig und allein der Zugang und die Haltung, die man mitbringt. Das hat nichts damit zu tun, ob man 30 Jahre in Österreich ist oder drei Tage, denn die Demonstrationen, die organisiert wurden – diese antiisraelischen Demonstrationen, aber auch diese Pro-Erdoğan-Kundgebungen –, wurden von Leuten organisiert, die schon in der dritten Generation in Österreich leben und auch die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Also die österreichische Staatsbürgerschaft und die Aufent­haltsdauer sind kein Garant dafür, dass man sich mit diesem Land identifiziert.

Welche Frage wir uns aber schon auch ganz kritisch stellen müssen, ist: Warum gibt es dennoch in unserer Gesellschaft eine gewisse Anzahl von Menschen, die sich von einem autoritären islamisch/islamistisch geprägten Führungsstil angezogen fühlen? – Vielleicht sind diese Menschen jahrelang von der Politik nicht beachtet worden, vielleicht haben sie auch im alltäglichen Zusammenleben Ausgrenzungserfahrungen erlebt. Deswegen ist es – und da muss ich jetzt die SPÖ, aber auch die ÖVP kriti­sieren – zwar gut, wichtig und richtig, dass wir Menschen mit Migrationshintergrund auch in den unterschiedlichen politischen Gremien in Funktionen haben, aber meines Erachtens sollten es wirklich nur jene sein, die sich auch mit den Werten der jeweiligen Partei identifizieren.

Damit komme ich jetzt zum springenden Punkt: Sowohl in der SPÖ als auch in der ÖVP gibt es Leute, die den Werten, die Ihre Parteien vertreten, wirklich diametral entgegenstehen. (Bundesrätin Grimling: Und bei den Grünen?) Aus einer kurzfristig gedachten politischen Haltung heraus werden Leute auf die unterschiedlichsten Listen gesetzt, weil diese eben 10 000, 14 000, 15 000 Vorzugsstimmen hereinholen, aber längerfristig betrachtet werden Sie verlieren, denn Sie werden der österreichischen Bevölkerung nicht erklären können, warum Sie türkische Nationalisten oder Pro-Erdoğan-Leute aus diesem Umfeld – und das sind keine Unterstellungen und Behauptungen, das sind Fakten – auf ihren Listen zum Nationalrat, zur Wirtschafts­kam­merwahl, zu den Wahlen für Arbeitnehmervertretungen haben.

 


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