BundesratStenographisches Protokoll837. Sitzung / Seite 61

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sichtigung des Glücksfalls für den IS, dass ihm Mossul in die Hände gefallen ist und er damit im wahrsten Sinn des Wortes reiche Beute machen konnten.

Diese Gruppierung, diese Organisation ist ja als noch weit gefährlicher einzuschätzen als die Taliban, die schreckliche Verbrechen begehen – gerade jetzt ist das Massaker in einer Schule in Pakistan in den Schlagzeilen –, aber weitgehend lokal und weniger mit­einander vernetzt in Afghanistan und in Pakistan operieren. Auch die klassische Terror­organisation aus der Vergangenheit Al-Qaida hat sich jetzt schon eher etwas zurück­gezogen, wenn man das so sagen darf, und hat gesagt – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, der IS sei ihr zu radikal.

Da besteht natürlich die große Gefahr des Aufsaugens aller radikalen Kräfte von Al-Qaida, von den Taliban durch den IS. Man darf dabei nicht vergessen, dass Pakistan immerhin eine Atommacht ist und die einzige stabilisierende Kraft in diesem Land die starke Armee, die aber eine mehr als zwielichtige Rolle spielt. Unter diesem Gesichts­punkt kann die Lage nicht als sehr beruhigend eingeschätzt werden. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Ägypten und Jordanien sind eigentlich ebenfalls tickende Zeitbomben, und man muss sich fragen, bis wann auch diese Länder verstärkt dem Terror zum Opfer fallen, denn schließlich ist ja das Ziel des IS, einen Staat aufzubauen, der sich bis über den Magh­reb hinaus erstreckt; auch Länder in Afrika, Kenia zum Beispiel, sind mittlerweile von den entsetzlichen Ideen dieses Kalifats bedroht.

Eine Sonderrolle in dieser Region spielt natürlich – sozusagen mitten drinnen – Israel, das sich in einer demografischen Doppelmühle befindet. Der Staat gerät demografisch unter Druck, einerseits durch die stark wachsende arabische Bevölkerung, anderer­seits aber auch durch die stark und überproportional wachsende, durchaus auch radi­kale orthodoxe jüdische Bevölkerung. Da kann man auch abschätzen, dass sich die Entwicklung nicht zum Besseren wenden wird.

Und in dieser gesamten Region scheint die EU-Außenpolitik eher konzept- und kraftlos am Gängelband einer chaotischen US-Politik zu hängen. Diese US-Politik, deren stärks­ter Verbündeter ausgerechnet Saudi-Arabien ist, ist nicht in der Lage, dieses sich immer schneller drehende Karussell wechselnder Unheilallianzen zu verstehen, geschweige denn zu analysieren oder darauf zu reagieren.

Zunehmend hinterfragenswert erscheint auch die Politik der Türkei – immerhin NATO-Partner –, und es ist schon verwunderlich, dass niemand ernsthaft hinterfragt hat, wie es möglich war, dass NATO-Waffen, eindeutig identifizierte NATO-Waffen in die Hände von IS und Terrorristen in Syrien gelangen konnten. Es wäre doch an der Zeit, diesbe­züglich Aufklärung zu verlangen.

Generell erscheint ja die Lage in der Türkei eher besorgniserregend; ich hatte aber bereits in der letzten Sitzung Gelegenheit, darüber zu reden, daher nur kurz folgende Schlagworte: Pressefreiheit, Unabhängigkeit der Gerichte – auch das geht eigentlich in die total verkehrte Richtung.

Dieses Hinterherhecheln der Europäischen Union, allen voran Frau Merkel, hinter der US-Politik ist ja auch das Credo in der Ukraine- und in der Russlandpolitik. Ich habe nie gedacht, dass ich einmal der Außenpolitik eines Gerhard Schröder nachtrauern werde. Die Politik ist geprägt von völligem Unverständnis gegenüber der russischen Position. Man muss nicht alles teilen, was Russland tut – das möchte ich hier auch nicht tun –, aber man sollte sich zumindest bemühen, die Motive, die Hintergründe und die Ängste zu verstehen, denn nur dann kann man einen konstruktiven Dialog führen und entspre­chend tragfähige Kompromisse finden.

Derzeit befinden wir uns – vor allem Österreich – in einer Lose-lose-Situation bezie­hungsweise wir haben uns in eine solche manövriert. Nicht nur der Tourismus leidet


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