BundesratStenographisches Protokoll837. Sitzung / Seite 74

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lich so gar nicht nennen sollte. Das ist quasi so, als ob man einen Staat anerkennen würde, den wir alle so in dieser Form nicht wollen.

Die Lage in Syrien und in der Ukraine, aber auch die heutige Pressekonferenz des rus­sischen Präsidenten zeigen ja, dass wir außenpolitisch gerade in einer sehr heißen Phase sind. Herr Minister, Sie haben vor Kurzem zu Recht vor einem neuen Kalten Krieg gewarnt. Ich sehe das genauso. Ich glaube, wenn wir uns in Positionen einze­mentieren, kann das dazu führen, dass es noch brutaler wird, in welcher Form auch immer. Ob es bei der verbalen Brutalität bleibt oder ob es auch zu einer physischen Brutalität kommt, wissen wir nicht. In der Ostukraine ist es physische Brutalität.

Gleichzeitig ist es natürlich auch schwierig, wenn merkwürdigerweise weltpolitische Ver­schwörungstheorien immer stärker in die politischen Diskussionen Eingang finden. Wir erleben das ganz stark in der Türkei – darüber hat sich Efgani Dönmez schon geäu­ßert –, aber auch in Russland. Heute wurde in Russland nämlich davon gesprochen, dass die NATO eine neue Berliner Mauer baut und sozusagen die Geschichte ändert.

Dabei waren es die baltischen Staaten, Polen, Ungarn, Rumänien Bulgarien und so wei­ter selbst, die in die Europäische Union wollten. Es waren diese Länder, die die Anträ­ge gestellt haben, beizutreten. Es waren nicht, wie es die Russen gerne darstellen, US-Amerikaner, die gesagt haben: Ihr müsstet beitreten. So war es nicht!

Diese Veränderung von Geschichte, dieses Aufbauen von Verschwörungstheorien macht es sehr, sehr schwierig, wieder sachliche Politik zu machen. Ich beneide Sie nicht, Herr Minister. Ich beneide keinen einzigen Außenpolitiker, keine einzige Außenpolitikerin Eu­ropas um diese irrsinnig schwierige Aufgabe.

Ich wäre aber kein Grüner, wenn ich nicht den gemeinsamen Kampf gegen den Klima­wandel als außenpolitische Komponente betonen wollte; denn „Think global, act local“ ist natürlich innenpolitisch für den gesamten Umweltbereich und für den Kampf gegen den Klimawandel wichtig. Allerdings muss man auch auf globaler Ebene arbeiten.

Gleichzeitig, wenn wir uns die aktuellen Diskussionen, die wir mit Russland führen, an­schauen, zeigt sich immer mehr, dass ein langfristiger Ausstieg aus Öl und Gas nicht nur dem Klimawandel nützt, sondern auch ein ganz starkes, außenpolitisches Signal ist. Solange wir von den Gashähnen und den Ölhähnen von Staaten abhängig sind, die Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie nicht unbedingt unterstützen, wer­den wir uns schwertun, da einzugreifen; weil wir natürlich in allererster Linie schauen müssen, dass unsere Wohnungen im Winter warm sind. De facto ist es so, das ist die reale Tatsache.

Deswegen betone ich sehr oft, dass „Raus aus Öl und Gas“ eben nicht nur eine um­weltpolitische, sondern in einem ganz enormen Ausmaß auch eine außenpolitische Fra­ge ist. Hoffen wir alle, dass kein Kalter Krieg kommt, arbeiten wir alle daran, dass es nicht zu neuen Auseinandersetzungen kommt und zu neuen Grenzen, die wir alle so nicht wollen!

Irgendjemand – ich weiß nicht mehr, wer – hat neulich in einer Fernsehsendung ge­sagt, Russland sei auf jeden Fall ein Land, das man immer per Sie ansprechen muss, weil sie diesen Respekt sozusagen verlangen. Ich finde, man kann den Russinnen und Russen gegenüber diesen Respekt äußern. Man muss, glaube ich, immer aufpassen, dass man die russische Regierung nicht mit der russischen Bevölkerung verwechselt.

Gleichzeitig ist das, was dort geschieht, natürlich besorgniserregend. Daher müssen wir hier eine warnende Stimme sein. In diesem Sinne, Herr Außenminister, wünsche ich so wie mein Kollege Dönmez und auch die anderen Kolleginnen und Kollegen alles Gute dabei.

Es ist eine schwierige Aufgabe. Die Außenpolitik spielt in den letzten Jahren erstaun­lich wenig Rolle in der öffentlichen Diskussion. Das hat sich stark geändert. Menschen


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