BundesratStenographisches Protokoll838. Sitzung / Seite 91

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soldungssystem wird nämlich in bereits bestehende Verträge von öffentlich Bediens­teten nachteilig und im Nachhinein eingegriffen, und zwar in einer Form, wie es zivil­rechtlich absolut unüblich ist und wie man es sich in der Privatwirtschaft kaum vorstel­len kann. Es werden dabei die Bediensteten in einer Art pauschalen Feststellung der Behörde eingestuft, welche die Behörde alleine trifft und bei der der Beamte kein Ein­spruchsrecht hat, kein Mitspracherecht hat und auch kein Widerspruchsrecht hat. Der Betroffene kann also nicht sagen, ob er damit einverstanden ist oder nicht.

Es wird also, wie gesagt, in bestehende Dienstverträge eingegriffen. Dabei ist einer­seits zu befürchten, und das ist auch in der Debatte zu dieser Dienstrechtsreform zum Ausdruck gekommen, dass nicht mehr alle Vordienstzeiten zum Tragen kommen, die bisher Grundlage für das Gehaltssystem und für die daraus resultierenden pensions­rechtlichen Ansprüche waren, sondern nur jene Vordienstzeiten, die – ich sage es einmal salopp – für die Behörde nützlich sind. Dabei ist zu befürchten, dass Ausbil­dungszeiten, die vielleicht noch vor Jahren von der jeweiligen vorgesetzten Dienstbe­hörde wohlwollend den Beamten auferlegt – um nicht zu sagen: aufgetragen – wurden, nunmehr überhaupt keinen Stellenwert mehr haben und bei der Überstellung in dieses neue Besoldungssystem nicht mehr berücksichtigt werden.

Das heißt, gegeben ist eine massive Schlechterstellung der Beamten auf Bezugsebe­ne, und daher ist dieses neue Dienstrecht rechtlich höchst bedenklich. Zwei EuGH-Ent­scheidungen hat die Republik Österreich in dieser Causa schon verloren: wegen der nicht adäquaten Anrechnung von Vordienstzeiten, wegen nicht gesetzeskonformer Be­achtung von Rechtsansprüchen einzelner Bediensteter, aber auch wegen der Diskrimi­nierung der betreffenden Bediensteten. Dabei spielte nicht nur Altersdiskriminierung ei­ne Rolle, sondern auch die Frage der Gleichstellung eines Beamten mit einem ande­ren. All diese Probleme werden mit der neuen Regelung einmal mehr prolongiert.

Aber es ist auch die Frage, wie man generell in dieser Sache verfährt. Ich kann Ihnen jedenfalls topaktuell berichten, dass ich hier ein weiteres EuGH-Urteil vorliegen habe, nämlich jenes vom 28. Jänner 2015, das genau in der Frage der Anrechnung von Vor­dienstzeiten vor dem 18. Geburtstag einmal mehr dieser Dienstrechtsreform eine – ich sage es einmal auf gut Wienerisch – kräftige Watschn erteilt. Denn damit wurde ak­tuell, also vor wenigen Wochen, festgestellt, dass nicht nur berechtigte Ansprüche ein­zelner Bediensteter zu wahren sind, sondern – und das ist der wesentliche Aspekt – ihnen derselbe Vorteil zu gewähren ist, wie er den von diesem System begünstigten Bediensteten allgemein gewährt wird.

Das ist doch ein Widerspruch in sich: Sie haben hier nicht auf die Rechtsprechung des EuGH reagiert, und zwar in zwei Fällen, die Sie als Republik verloren haben! Sie ha­ben in beiden Fällen nicht den entsprechenden Schluss gezogen und diesen Urteilen nicht Rechnung getragen. Nun erhalten Sie auch in einem neuen Urteil in der fast identischen Causa, wie wir sie schon zweimal zum Nachteil der Republik Österreich erlebt haben, noch einmal eine Bestätigung, dass das hier zur Diskussion stehende Dienstrechtspaket nicht gesetzeskonform ist und eine hohe Chance hat, abermals auf dem Klagsweg erfolgreich bekämpft zu werden. Unter diesen Bedingungen ist es doch einigermaßen interessant, dass dieses Dienstrechtspaket in dieser Schnelle und Ve­hemenz im Parlament durchgepeitscht wird.

Erlauben Sie mir als Mitglied des Bundesrates zu diesem Aspekt auch eine inhaltliche Anmerkung. Es gab bei diesem Gesetz, wie Sie alle wissen, keine Begutachtungsfrist, keinen zeitlichen Vorlauf für eine Stellungnahme. Es gab hier entgegen dem, was bei anderen Dienstrechtsreformen oder bei anderen großen Eingriffen im Bereich des öf­fentlichen Dienstes bisher Usus war, keine Diskussion im Vorfeld. Ja, es gab nicht ein­mal ausreichend Zeit, um sich auf dieses Gesetzeskonvolut, das über mehrere Seiten geht, vorzubereiten. Der Weg, da erzähle ich Ihnen nichts Neues, war folgenderma-


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