BundesratStenographisches Protokoll844. Sitzung / Seite 138

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der Judikatur auch wieder mit einer sehr, sehr schnellen Annahme in Richtung einer sehr, sehr strengen Strafe entwickelt hat.

Sehr schnell konnte man für das Stehlen – unter Anführungszeichen – „kleiner“ Beträge mit einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren bedroht sein, wenn der Staatsanwalt und der Richter angenommen haben, die Person wollte sich hier so oder so über kurz oder lang eine fortlaufende Einnahmequelle erschließen. – Der Begriff der berufsmäßigen Begehung ist hier schon ein wesentlich besser gefasster, der diese Interpretation in diese Richtung nicht mehr machbar erscheinen lässt.

Die zweite viel diskutierte Maßnahme ist natürlich eine Verschiebung der Wert­grenzen. – Jetzt muss man einmal wissen, dass die Wertgrenzen im Strafgesetzbuch schon ziemlich alt waren und eigentlich auch bei Währungsumstellungen wertmäßig nicht wirklich angepasst worden sind. Ja, man kann immer darüber diskutieren, wo man welche Rechtsfolge anknüpfen will, aber man kann nicht sagen, dass das zwischen 50 und 300 oder unter 50 ohnehin nicht bestraft wird – das wird es natürlich auch –, aber es ist sicher auch eine Willenserklärung dabei, dass die Untersuchungs­haft nicht mehr bei jeder Gelegenheit verhängt wird. Das passiert nicht, weil wir nicht genügend Gefängnisse haben, sondern Untersuchungshaft ist schon ein recht heftiger Einschnitt, den man sich gut überlegen muss und wo man möglicherweise auch die Schrauben in diese Richtung drehen kann.

Es gibt einige neue Delikte. Es ist eine Modernisierung des Strafrechtes, die wir im Übrigen nicht nur Ihnen, Herr Bundesminister Brandstetter, verdanken, sondern auch Ihrer Vorgängerin, die die veröffentlichte Diskussion richtigerweise schon 2013 aufge­griffen hat. Frau Professor Beatrix Karl, jetzige Abgeordnete zum Nationalrat, hat als Bundesministerin bereits die Expertenkommission ins Leben gerufen. Diese Arbeit ist jetzt vollendet worden.

Lassen Sie mich auch aus Sicht der Wirtschaft und als Praktiker vielleicht noch zwei bedeutende Dinge herausgreifen, die in letzter Zeit natürlich auch dank clamoroser Fälle viel durch die Medien geschwebt sind. Da gab es das Stichwort Bilanzfälschung, aber auch jenes der Untreue. Da ist eine Entwicklung in der Judikatur zu beobachten gewesen, die die Handlungsfreiheit von Wirtschaftstreuhändern, die Handlungsfreiheit von Führungskräften in Unternehmen nicht unwesentlich eingeschränkt hat.

In der Wirtschaft ist es gelegentlich notwendig, rasch zu entscheiden. Wenn man aber grundsätzlich bei jeder falschen Entscheidung von vornherein unterstellt, sie wäre eine untreue Handlung, sie wäre unvertretbar, dann kriege ich keine rasche Entscheidung mehr. Dann gibt es jemanden, der dort sitzt und der sich zuerst ein Gutachten einholen muss – ich beziehe mich auf das Stichwort Kreditvergabe –, jemand, der nicht nur Bonitätsauskünfte, sondern Gutachten über die Bilanzen einholen lassen muss und Wochen braucht, bis er weiß, ob er einen Kredit vergeben kann oder nicht.

Es gab in österreichischen Banken nach dieser Judikatur-Novelle bereits Führungs­kräfte der zweiten Ebene, die gesagt haben, die erste werden sie sich nie antun. Auf das bisschen Mehrverdienst verzichten sie, denn wenn sie für einmal falsch Hand­heben mit einem Fuß im Kriminal stehen, dann werden sie das nicht machen. Und das sind durchaus gute Leute gewesen. Wenn wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass junge Leute heute nicht mehr in Vorstände von Unternehmen gehen wollen, weil sie befürchten, kriminalisiert zu werden, dann muss man dagegen ansteuern und dann sind das, was jetzt einerseits bei der Bilanzfälschung als Grundvoraussetzung mit dem erheblichen Schaden, andererseits bei der Untreue mit der wirklich klaren Formu­lierung einer unvertretbaren Handlung passiert, Korrekturen zu einer Judikatsentwick­lung, die aus meiner Sicht sehr begrüßenswert sind.

 


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