BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 44

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das jetzt hier auch nicht stärker betonen. Allerdings möchte ich euch schon sagen: Es gibt immer noch 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreich, die euch für total unwählbar halten. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich bin sehr gerne ein Teil von diesen 70 Prozent; das ist sicher nur eine ungefähre Zahl, das ist mir schon bewusst. Eines ist mir aber schon aufgefallen: Als Flüchtlinge, Schutz suchende Menschen, Frauen, Männer – junge Männer, aber auch alte Män­ner –, Großeltern, Kinder, Jugendliche auf der Autobahn in Ungarn wanderten, gab es zwei verschiedene Reaktionen. Die eine Reaktion war: Wir haben einen Notfall, es ist ein humanitärer Notstand, wir müssen helfen.

Ich kritisiere die Innenministerin gerne, aber in dem Augenblick hat sie gehandelt, in dem Augenblick hat der Bundeskanzler gehandelt, das Rote Kreuz hat gehandelt, die Volkshilfe hat gehandelt, die Caritas hat gehandelt, die Diakonie hat gehandelt, der Samariterbund hat gehandelt, viele, viele Grüne haben auf den Bahnhöfen gehandelt, es haben Freiwillige gehandelt, es hat später die Polizei gehandelt, es hat das Bundesheer gehandelt. Nur eine Gruppe hat nicht gehandelt, sondern nur geraunzt und gelabert, und das waren die Freiheitlichen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Das ist auch der Grund, warum wir jetzt hier sitzen und nicht erst nächste oder übernächste Woche: weil es um Menschen geht, die in Zelten leben, in Hangars leben, wo es keine Heizung gibt, wo sich die Kinder jetzt schon erkälten. Startet nur die Wetter-App und schaut euch die Wetterprognose für die nächsten Tage an: Tiefst­tempe­raturen in der Früh: 7 Grad – jetzt, heute und morgen. Und die sind jetzt in Zelten und Fabrikshallen!

Ich bin froh, in einem Land zu leben, wo die politischen Verantwortungsträger und die verantwortungsvollen Menschen bereit sind, eine Sitzung vorzuverlegen, weil es einfach notwendig ist. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Es ist sehr vieles genannt worden, zum Beispiel gefälschte Pässe. Wisst ihr nicht, was in Syrien los ist? Beispielsweise in Aleppo gibt es keine funktionierenden staatlichen Strukturen mehr. Viele in diesen Flüchtlingscamps, auch in der Türkei, besitzen überhaupt keinen Pass mehr. Es gibt keine Stelle mehr, die irgendwo irgendeinen Pass verlängern würde. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) – Ich weiß, dass es nicht gut ist, dass sie fälschen, aber sie tun das vor lauter Verzweiflung.

Auch wenn ein Algerier oder eine Ägypterin mit einem gefälschten Pass kommt – meinetwegen, das mag es geben –, so hat trotzdem jede Person, und das ist Genfer Flüchtlingskonvention, das Recht auf eine faires Asylverfahren, wie immer es ausgeht. (Bundesrat Krusche: Und deshalb fälschen Algerier syrische Pässe!) Wenn man das nicht will, dann ist man gegen die Genfer Flüchtlingskonvention – dann seid so ehrlich und sagt, dass ihr gegen die Genfer Flüchtlingskonvention seid! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es gibt keine Flüchtlinge à la carte – so wie es auch kein „Asyl à la carte“ gibt, wie sich die ÖVP ausdrückt. Dieses Schild hat mich übrigens gewundert, denn es gab auch einmal eine Zeit, als die ÖVP schutzbedürftigen Christen Schutz geben wollte (Bundesrat Himmer: Vorrangig!), aber nicht schutzbedürftigen Muslimen. Das ist aber zum Glück jetzt auch schon vorbei, es gibt auch einen neuen Parteichef.

Man kann sich die Flüchtlinge nicht aussuchen. Menschen, die Schutz suchen und um Hilfe rufen, muss man in erster Linie laut Genfer Flüchtlingskonvention helfen und ein faires Asylverfahren garantieren, darum geht es. Und wenn man sie dann da hat, dann muss man sie unterbringen, menschenwürdig, mit medizinischer Versorgung. Und im Winter – wir sind in einem kalten Land – gehört geheizt. Wenn man das nicht will, dann


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