BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 70

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Da kommen wir nämlich zu etwas anderem, nämlich dazu, dass ein Redner vorhin gesagt hat: Was machen denn die Glaubensbrüder? Ah, Glaubensbrüder? – Aleviten und Alawiten sind keine Glaubensbrüder; die Moschee ist Feindesland, Sie werden niemals einen Aleviten in die Moschee bringen. Und genau dort haben wir jetzt das Problem. Wir haben bis zu acht Millionen Internally Displaced Persons, IDP, also Flücht­linge innerhalb Syriens, geschützt von kurdischen, armenischen, chaldäischen Verbänden, die von verschiedensten Seiten unter Druck stehen. Das sind keine Glaubensbrüder. Die Armenier, die über den Libanon flüchten, kommen leider in ein weiteres Konfliktgebiet, nämlich nach Nagorny Karabach, zu Zehntausenden, was auch nicht gerade hilfreich ist.

Wenn wir aber zum Beispiel das größte syrische Flüchtlingslager in Jordanien herneh­men, Al Zaatari, so hat ein anderer Repräsentant dieses Hauses wie eine Marionette im Fernsehen gefordert: Ja, Jordanien wäre noch bereit, eine Million aufzunehmen, und wir haben nichts zu tun. – 1917 hat der sogenannte Balfour-Bericht klar und eindeutig gesagt, wie viel Wasser es in dieser Region gibt. Es gibt kein Wasser in Jordanien, es gibt kein Wasser in Israel; das einzige Wasser der Region gibt es in Syrien, und dort herrscht bekanntlich Krieg. Wenn sie in diesem Lager sind, bekommen die Menschen weniger als 50 Prozent dessen, was notwendig ist, was die WHO sagt. Wenn Sie das Wasser sehen, dann würden Sie es nicht trinken. Was ist die Folge? – Kindersterblichkeit. Wer will ein solches Lager nicht verlassen?!

Glaubensbrüder: In einem Lager mit 200 000 Menschen gibt es medizinische Versor­gung. Da steht ein Spital, das alles kann. Wer betreibt es? – Marokko. Die UNO wäre dazu gar nicht mehr in der Lage.

Wenn wir heute sehen, auf wie viele Flüchtlinge pro tausend Einwohner wir kommen, so haben wir in dem Land, das hier am großzügigsten ist, in Schweden, acht Flücht­linge pro tausend Einwohner. Wir haben in Ungarn vier, wir haben in Malta drei, wir haben in der Schweiz 2,7, in Österreich zwei, in Deutschland 2,1. Wir haben im Libanon über 220 Personen pro tausend Einwohner. Der Libanon ist so groß wie Ober­österreich, er hat 4,5 Millionen Einwohner und zwei Millionen Flüchtlinge. Da könnte man sagen: Rien ne va plus!, nichts geht mehr.

Das heißt, es ist klar, dass sich etwas in Bewegung setzt, es ist klar, dass sich etwas in Bewegung setzen muss. Das ist eine moderne Flüchtlingsbewegung, diese größte. In einer Zeit des 21. Jahrhunderts gibt es auch Formen der Kommunikation, und deshalb sind Diskussionen, warum Flüchtlinge Handys haben, so notwendig wie ein Kropf.

Es sind zwei interessante Aussagen gefallen. Staatlich organisierte Schlepperei hat man hier der österreichischen Regierung aus der zweiten Reihe vorgeworfen. Herr Krusche schaut schon ganz betroffen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Nichts anderes (Bundesrat Jenewein: Ist das die Abschiedsrede?) hat die österreichische Regierung, haben die österreichischen Sicherheitskräfte und haben die NGOs gemacht, als eine menschenwürdige Durchreise von Menschen, die schon seit Monaten auf der Flucht sind, zu gewährleisten. Und was für eine Bemerkung bekommen sie dafür umge­schoben? – Als soziale Invasionskolporteure wurden von der FPÖ jene Menschen bezeichnet, die Mitglieder von NGOs sind, und die Tausenden von freiwilligen Helfern, von denen viele ihre Arbeit an den Nagel gehängt haben.

Ich finde es gut, dass Deutschland so großzügig ist. Immerhin hat Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs 14 Millionen Flüchtlinge und zwölf Millionen intern Vertrie­bene gehabt. Dass dieses Deutschland, das einmal so viel Leid über Europa


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