BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 75

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Wovor flüchten die Menschen, die in Calais einen Eisenbahntunnel stürmen wollen und Richtung England gehen wollen? Wollen die nicht in Frankreich bleiben? – Ja, Frankreich ist ein Entwicklungsland, in Frankreich kann man nicht leben, da gibt es keine Menschenrechte, Frankreich ist ja so furchtbar! Darum müssen diese Leute jetzt flüchten: durch den Tunnel Richtung Großbritannien. Das ist schon etwas, da muss man auch einmal die Augen aufmachen! Da muss man schon auch in sich gehen.

Ich möchte gar nicht in Abrede stellen, dass diese Debatte, wie sie läuft, auch nicht immer so läuft, wie ich mir das persönlich vorstelle, und zwar genau deswegen, weil eben die Differenzierung fehlt. Das hat verschiedenste Gründe. Einer der Gründe ist sicherlich auch darin zu suchen, dass wir derzeit in einer Wahlkampfphase sind. Ich möchte jetzt nicht Michael Häupl zitieren oder unterstützen, so wie das der Kollege gemacht hat, als er die Inserate gezeigt hat – nein, war ein Spaß –, aber Michael Häupl hat zumindest einmal einen ganz richtigen Satz gesagt, indem er gesagt hat: In Wahlkämpfen – jetzt sinngemäß interpoliert, mir fällt der genaue Wortlaut nicht ein – bleibt der Verstand manchmal auf der Straße. – Das ist schon richtig, und das ist auch ein Problem.

Aber ich sage auch: Genau so, wie man uns hier in den letzten Stunden vorgeworfen hat, dass wir die Hetzer sind, dass wir fremdenfeindlich sind und dass wir so böse sind, passiert genau dasselbe auf der anderen Seite. Der Herr Bundesminister stellt sich her und sagt zur Frau Klubvorsitzenden Mühlwerth: Wie können Sie behaupten, dass das Wirtschaftsflüchtlinge sind? – Na, ganz einfach: Wenn einer sagt, er möchte nicht in Frankreich bleiben, sondern er will nach Großbritannien, weil er an Leib und Leben verfolgt ist, dann hat er einen Grund! Und der Grund ist sicherlich darin begründet, dass er sich in England, in Großbritannien ein besseres Leben vorstellt als in Frank­reich. Das kann mir sonst keiner erklären: Warum will er nicht in Frankreich bleiben? Warum muss er nach Großbritannien?

Ein weiterer Punkt, der hier auch angesprochen worden ist, ist mir insofern wichtig, als das ja auch wieder gekommen ist: Da hat der Kollege Schennach in seiner altruis­tischen Show, die er wieder abgeliefert hat, erklärt, die Syrer sind ja alle so gebildet. – Im August dieses Jahres hat das AMS 17 897 subsidiär Schutzberechtigte betreut. Davon waren 5 007 Personen aus Syrien, und davon waren 4 221 Afghanen. Von den Syrern haben zwei Drittel eine Pflichtschulausbildung, und nur 7 Prozent sind diese angeblich gut ausgebildeten Akademiker, die in Österreich vom AMS betreut waren. Bei den Afghanen ist es noch viel schlimmer: 90 Prozent haben da eine Pflichtschul­ausbildung, und nur 90 Personen von diesen 4 221 Afghanen konnten sich selbst als Akademiker bezeichnen.

Dann stelle ich mir noch die Frage: Woher wollen wir denn überhaupt wissen, wie der Ausbildungsgrad der Leute ist, die zu uns kommen? – Sie werden ja nicht registriert, wir lassen sie ja durchfahren! Sie werden nicht einmal angeschaut. Wir schauen sie nicht an: Sind sie gesund? – Wir schauen nicht an, was für eine Ausbildung sie haben. Wir schauen nicht an, wo sie herkommen.

Wir schauen uns nicht einmal an, ob sie überhaupt eine Berechtigung haben! Der Kollege Schreuder sagt: Ja, das mit den Pässen wissen wir eh, das ist ein Problem. Viele haben keine Papiere und besorgen sich halt Papiere, dass sie in die Europäische Union kommen. – Da sage ich: Ja, menschlich verständlich. Unabhängig davon: Auch in Syrien weiß jeder, dass es nicht zulässig ist, mit einem gefälschten Pass herumzu­reisen; und jemand, der so etwas macht, der muss nicht nur damit rechnen, dass er sich selbst und seinen Status gefährdet, sondern der muss auch damit rechnen, dass das auf alle anderen abfärbt.

 


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