BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 50

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mit Menschlichkeit und Wärme? Warum muss man sie in dem Alter schon mit Gewalt überfordern oder zum Ziel überbordenden Einsatzes von älteren Menschen zu machen? Man darf Kinder auch nicht als kleine Erwachsene sehen. Das sind sie einfach nicht, und diese Sichtweise schadet ihnen mehr, als sie ihnen hilft.

Nochmals: Kinder sollen Kinder bleiben dürfen, und Kindergärten sollen Betreuungs­ein­richtungen bleiben, ein Ort, wo Kinder spielen können, sich im Umgang mit anderen Kindern versuchen können. Aber was ein Kindergarten nicht sein soll, ist eine Bil­dungs­einrichtung, die die Kinder intensivst auf die Schule vorbereitet. Als Nächstes kommt dann irgendwann jemand daher und meint, die verpflichtende Kinderkrippe als Vorbereitung auf den Kindergarten einführen zu müssen. Lassen Sie doch den Kindern und den Familien ihren Freiraum!

Als wichtiges Argument für die Einführung der Kindergartenpflicht für Fünfjährige wurde immer angeführt, dass diese so wichtig wäre, um Sprachdefizite bei Kindern auszu­merzen. Das dürfte aber anscheinend nicht so funktioniert haben, denn sonst würde man jetzt nicht das verpflichtende zweite Kindergartenjahr für Vierjährige fordern und dieses verpflichtende Elterngespräch einführen.

Im Hintergrund geht es dabei aber offenbar darum, Sprachdefizite von Kindern von Migranten auszumerzen. Als der frühere Bundeskanzler Gusenbauer – das ist der etwas rundlichere Herr, der jetzt halb demokratische Despoten berät und für eine angebliche Hypoberatung offenbar 84 000 € kassiert hat – einmal gemeint hat, er könne sich einen verpflichtenden Besuch des Kindergartens für Zuwandererkinder vorstellen, wurde er von Teilen der SPÖ sofort zurückgepfiffen. Es hieß damals: Diese Maßnahme würde MigrantInnen – mit Binnen-I; es fällt mir ein bissel schwer, das zu sagen – noch mehr Recht auf Selbstbestimmung entziehen. Eine Verpflichtung für den Besuch des Kindergartens müsse, wenn, für alle gelten.

Die Kindergartenpflicht ist also offenbar der Ausdruck gescheiterter Integration. Der Kindergarten kann und soll aber diese geforderte Leistung gar nicht erbringen, Ver­pflich­tung hin oder her.

Das BIFIE, das Bundesinstitut für Bildungsforschung, hat bereits vor einiger Zeit den Sprachstand von Kindergartenkindern und so deren Förderbedarf ermittelt. So wurde dabei festgestellt, dass in Kärnten 93 Prozent der türkischen Kinder im Kindergarten Förderbedarf haben, in der Steiermark waren es 92 Prozent der türkischen Kinder und in Wien trotz zusätzlicher Betreuer und Betreuungsmaßnahmen 80 Prozent. Bei Kindern aus Ex-Jugoslawien wurde übrigens ein Förderbedarf von rund 50 Prozent und bei Kindern mit deutscher Erstsprache von 10 Prozent ermittelt.

Das Ergebnis der Studie bei Kindergartenkindern zeigt, dass der einzig zielführende Weg zum rechtzeitigen Spracherwerb vor der Einschulung ein Vorschuljahr für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen ist. Wir sehen es als nicht zielführend an, gesell­schaftspolitische Fehlentwicklungen zur vermeintlichen Lösung in den Kindergarten abzuschieben, denn dafür ist er nicht da.

Besonders spannend finde ich auch die neue Regelung betreffend das verpflichtende Beratungsgespräch für Eltern von Vierjährigen, das eine typische Halblösung darstellt. Im Zuge dieses Beratungsgespräches ist eine Empfehlung zum Besuch des Kinder­gartens auszusprechen. Was ist aber, wenn das Kind in der Entwicklung so steht, dass eine Empfehlung für einen Besuch überhaupt der falsche Ansatz ist? Was ist, wenn ich auf die Empfehlung von Vornherein keinen Wert lege, weil ich mein Kind nicht in den Kindergarten schicken will? Wollen Sie mich dann bestrafen, wenn ich auf das Gespräch keinen Wert lege und darauf verzichte? Wollen Sie mein Kind dann zwingen, in den Kindergarten zu gehen?

 


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