BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 131

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Und damit gehen wir schon in medias res: Was wir derzeit, zur Stunde, zur Minute – und ich habe heute eigentlich den ganzen Vormittag, obwohl ich die meiste Zeit herin­nen gesessen bin, trotzdem mit einem Auge auch die Agenturmeldungen verfolgt – erleben, ist eine Ausnahmesituation, wie sie Europa in dieser Form bislang noch nicht erlebt hat.

Wir erleben seit Ende August, wahrscheinlich schon etwas früher beginnend, aber seit Ende August für alle Personen wahrnehmbar eine Völkerwanderung. Und man könnte jetzt natürlich sagen: Na ja, das ist alles sehr überraschend gekommen, und davon war auch unsere Bundesregierung überrascht, und selbstverständlich, wenn es zu so einer Überraschung kommt, dann ist es auch nicht unbedingt so, dass man immer richtig und entsprechend darauf reagieren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen nur sagen: Es kam nicht überraschend! Es kam nicht überraschend, was auf uns zugekommen ist. Bereits im Jahr 2004 hat der damalige deutsche Bundesinnenminister, Otto Schily, Aufnahme­lager an den EU-Außengrenzen gefordert, Otto Schily, der nicht nur als RAF-Rechtsa­nwalt bekannt geworden ist, sondern auch dafür, dass er seinerzeit durchaus klare Worte zur Migrationspolitik nach Europa gefunden hat.

Und was besonders bemerkenswert ist: Im Jahr 2010 – und hören Sie gut zu, das gilt gerade für jene Fraktion, die derzeit den Verteidigungsminister stellt –, genauer gesagt am 10. März 2010 hat der Schweizer Armeechef André Blattmann in einem Interview mit der schweizerischen Presse gesagt, und ich zitiere hier wörtlich:

Auch in Europa können Situationen entstehen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Große Migrationsströme können einen Einsatz der Armee notwendig machen. – Zitatende.

Im heurigen März berichtet das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ darüber, dass Griechenland Deutschland zu erpressen versucht. Rufen wir uns ganz kurz in Erinnerung, wie die Situation heuer im Frühjahr war, als Griechenland wieder einmal in Europa angeklopft hat für eine weitere finanzielle Stützung. Schon damals hat der griechische Vize-Innenminister Panousis gesagt, er könne sich vorstellen, 300 000 Flüchtlinge, die derzeit in Griechenland in Flüchtlingslagern sind, mit Papieren auszu­statten und Richtung Deutschland zu schicken. Schon damals hat man also gesehen, dass in diesem Punkt von gewissen Seiten in Europa ein gewisser Druck ausgeübt wurde.

So weit braucht man jedoch gar nicht zu gehen, man braucht gar keinen Theorien anzuhängen. Es hat die Bundesrepublik Deutschland selbst durch ihre obersten Re­präsentanten, namentlich durch Bundespräsident Joachim Gauck im Jahr 2014 bei einem Staatsbesuch in Indien gesagt:

„Wir haben Platz in Deutschland. Deshalb warten wir auch auf Menschen aus anderen Teilen der Welt, die bei uns leben und arbeiten wollen. Darauf freuen wir uns schon.“

Spätestens seit den Aussagen der deutschen Bundeskanzlerin Merkel, die bei einer Pressekonferenz Ende August gemeint hat: „Wir schaffen das!“, war natürlich der Dammbruch da, und das war natürlich geradezu als Aufforderung für all jene zu verstehen, die aus welchen Gründen auch immer – und ich werte das ganz bewusst nicht – nach Europa kommen wollen, speziell nach Deutschland kommen wollen, weil damit natürlich auch eine Form der Einladung ausgesprochen wurde, zumindest wurde dies so interpretiert und auch in den örtlichen Medien, in jenen Medien vor Ort, wo diese Menschen zu einem Gutteil herkommen, so präsentiert.

Warum wir heute diese Dringliche Anfrage genau an den Bundeskanzler richten, der leider nicht die Zeit gefunden hat, hier heute in die Länderkammer zu kommen, was ich


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