BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 153

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Fry hat diesen Menschen geholfen, hat Pässe gefälscht, hat sie illegal auf Schiffe gebracht und hat sie geschleust. Heute nennen wir diese Leute Schlepper und wollen ihnen den Kampf ansagen. (Bundesrat Dörfler: Aber er hat kein Geld verlangt dafür! Er hat kein Geschäft gemacht damit! ... Unterschied!) – Das ist richtig.

Man muss immer aufpassen, was wer macht; und ich will nur diese Graustufen klarmachen. (Bundesrat Schödinger: Das ist ein untauglicher Vergleich!) Ich will auch die Geschichte der MS St. Louis erzählen, weil die auch mit diesem Herrn Fry zu tun hat. Das ist ein deutsches Schiff gewesen, das 1939 eben im Hafen von Marseille lag, und Fry hat über 900 Juden die Möglichkeit gegeben, auf diesem Schiff zu entkom­men, weil schon das Vichy-Regime regierte, die Nazis vormarschierten und er die Juden retten wollte. Das Schiff ist ausgelaufen und nach Kuba gefahren. Als dieses Schiff in Kuba lag, hat Kuba gesagt, dass es keine Flüchtlinge im Land will. Das Schiff ist weiter und hat eine Odyssee hinter sich gebracht. Die USA wollte keine Flüchtlinge ins Land lassen, andere Staaten wollten keine Flüchtlinge ins Land lassen. Da ist dieses Schiff gezwungen gewesen, nach Europa zurückzukehren. Es ist in den Hafen von Antwerpen eingelaufen – Ende 1939 oder Anfang 1940. Im Mai 1940 sind Belgien und die Niederlande von den Nazis überfallen worden, und ein Großteil dieser Flücht-linge ist in den Konzentrationslagern und Vernichtungslagern der Nazis umgekommen. Hätte ein Land Refugees Welcome gesagt, wären diese Menschen nicht gestorben.

Nein, die Situation ist nicht vergleichbar – das habe ich auch gesagt. (Zwischenruf des Bundesrates Schödinger.) Ich habe aber gesagt, man kann daraus lernen. Ich habe gesagt, man kann aus der Geschichte lernen; und genau das versuche ich jetzt klarzumachen: dass es nicht in Ordnung ist, wenn man Flüchtlinge ablehnt, wenn man sagt, man will sie nicht haben, und wenn man sie ins Elend zurückschickt. (Zwi­schen­ruf des Bundesrates Schödinger.) Ja, Sie haben es eh gesagt. (Neuerlicher Zwi­schen­ruf des Bundesrates Schödinger.)

Ich will nur die Graustufen benennen, nämlich dass es manchmal Hilfe gibt, die nicht monetär ist, vor allem dann, wenn man Menschen in Not hilft. Das ist genau das, was viele Freiwillige derzeit tun: Menschen zu helfen, die in Not sind. Darum ging es mir! (Weitere Zwischenrufe des Bundesrates Schödinger.)

Sie haben auch Wörter gesagt, Herr Kollege Jenewein und auch Herr Kollege Krusche, die man sich auf der Zunge zergehen lassen kann. Was ich mich immer gerne frage, wenn man diese Wörter hört, die einem quasi vorgeworfen werden, ist, was denn das Gegenteil davon ist. Also das Gegenteil von sozial ist asozial. Das Gegenteil von romantisch ist unromantisch. (Bundesrat Jenewein: Richtig!) Das Gegenteil von Gutmensch ist Schlechtmensch. (Bundesrat Jenewein: Nein, das ist Realist!) Und das Gegenteil von Willkommenskultur ist Schleichts-euch-Kultur. (Bundesrat Jenewein: Verabschiedungskultur!)

Lieber Herr Kollege Jenewein, als meine Eltern 1975 nach Österreich gekommen sind, waren wir willkommen. Ich war auch kein syrischer Muslim, das gebe ich schon zu. Ich war nur ein holländischer Kaskopf. (Bundesrat Mayer: Was?) Ein holländischer Kaskopf. Kennst du den Ausdruck nicht? (Heiterkeit des Bundesrates Mayer. – Bun­desrat Jenewein: Edamer!) Aber wenn Sie dann in der Begründung „Österreich schafft sich ab“ schreiben, dann denke ich mir, dieses Österreich, in das meine Eltern gerne gegangen sind, war dieses gastfreundliche, dieses hilfsbereite, dieses freundliche Österreich, das schon damals bekannt war für seine humanitäre Hilfe, das damals bekannt dafür war, ganz viele ungarische und tschechische Flüchtlinge aufgenommen zu haben – 1968 war gerade erst ein paar Jahre her –, und das wussten auch die Holländer und Holländerinnen, was Österreich geleistet hatte. Wir haben dieses Österreich geliebt. Wir haben gerne in diesem Österreich gelebt – bis heute –, und die einzige, die dieses Österreich abschafft, ist die Freiheitliche Partei – nämlich dieses


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