BundesratStenographisches Protokoll847. Sitzung / Seite 11

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Elektronik der HTL Steyr mit Professor Ehrenbrandtner begrüßen. – Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


9.18.44

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Schüler und Schü­lerinnen aus Steyr! Das Thema betrifft die großen Herausforderungen Europas – mein Vorredner hat die Flüchtlingsfrage angesprochen –, und ich muss sagen: Wie schnell sich doch die Agenda hier in unserer Debatte ändert.

Wir sind noch vor wenigen Jahren hier gestanden und haben von der größten Heraus­forderung der Finanz- und Wirtschaftskrise gesprochen. Und viele haben damals schon das Ende der EU eingeläutet und gesagt: Der Euro crasht gegen die Wand! Dann haben wir in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise als die größte Herausforderung Europas – weil jetzt so viele junge Menschen anwesend sind – die verheerende Ju­gendarbeitslosigkeit angesprochen, und sie ist bis heute eines der großen Themen und übrigens auch der Nährboden für Desintegration und eine Gefahr.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist die einzige wirkliche Gefahr Europas – wenn die Jugend nicht mehr an Europa glaubt und wenn die Jugend keine Visionen hat.

Und dann haben wir den stotternden Wirtschaftsmotor, die stotternde Konjunkturlage in Europa als eine der größten Herausforderungen gesehen.

Und jetzt kämpft das reiche Europa mit 1 Prozent der weltweiten Flüchtlinge – 600 000. Es ist ja interessant, dass hoch entwickelte, auch sozial hoch entwickelte Gemein­schaften wie die Europäische Gemeinschaft und die europäischen Mitgliedstaaten sich mit ihren Standards schwertun, wenn viele Flüchtlinge kommen und Schutz suchen.

Wenn wir gleichzeitig sehen, dass es zum Beispiel mitten im Wiederaufbau Österreichs fast kein Problem war, 200 000 Menschen aus Ungarn aufzunehmen, zu versorgen, willkommen zu heißen, so fragt man sich: Warum läuft da in Europa derzeit etwas aus der Schiene? Und: Warum gelingt es da nicht, das, was wir als europäische Werte be­trachten, nämlich eine Solidargemeinschaft innerhalb der Europäischen Union zu sein, die sich nicht ausschließlich an wirtschaftlichen Fragen misst, sondern eben auch an humanitären Fragen, an dem inneren Zusammenhalt einer Union, als Maßstab anzule­gen, wie es drei Staaten, Schweden, Deutschland und Österreich, und zwei Staaten, die in einer besonderen Weise betroffen sind, nämlich Griechenland und Italien, ma­chen?

Ja, Österreich hat einer Notsituation gehorchend in den letzten Monaten eine Politik verfolgt, die aus humanitärer Sicht richtig war. Und Europa muss jetzt zu einer Politik kommen, in der eines klar ist: dass es eine innere Solidarität gibt, dass Europa, wie un­ser Präsident heute in seiner Gedenkrede zu den Opfern von Paris sagte, seine Werte von einem solidarischen, liberalen, demokratischen und offenen Europa verteidigt und die Hand reicht, die hier notwendig ist, aber auch jenen Staaten des Westbalkans hilft, die in einer besonderen Weise gefordert und überfordert sind, nämlich wie Mazedonien und Serbien.

Europa muss jetzt auch einen Wert verteidigen, und ich spreche das hier ganz offen an. Wir alle sind stolz, dass wir Schengen haben, dass wir ein Europa ohne Grenzen sind. Und heute müssen wir versuchen, es zu verteidigen, dass die Grenzen zwischen den nationalen Staaten Europas, die wir im Sinne einer Vertiefung haben verschwin­den lassen, nicht wieder aufgebaut werden, denn es kann kein europäischer Wert sein, wenn Stacheldrahtzäune wiederum Grenzen markieren. Dazu bedarf es natürlich auch starker Außengrenzen.

 


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