BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 138

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Albert Steinhauser, der grüne Justizsprecher, hat damals genauer nachgefragt, und wir haben erfahren, dass es allein im Jahr 2013 im Strafvollzug zu insgesamt 710 Über­griffen unter Häftlingen gekommen ist. Davon waren 14 Übergriffe sexueller Natur, und von diesen 14 sexuellen Übergriffen haben sieben unter Jugendlichen stattgefunden.

Wenn solche Vorfälle medial aufgerollt, breitgetreten werden, wenn sie besonders drastisch sind, sind wir uns alle einig, dass – und das war auch 2013 der Fall – die Untersuchungshaft für Jugendliche, falls überhaupt notwendig, eher eine Ausnahme sein sollte, denn die Umstände zeigen immer wieder, dass es nicht die adäquate Lösung dafür ist, dass Jugendliche nicht mehr rückfällig werden.

So ganz hat das dann doch nicht geklappt: Nachdem die Zahlen kurzfristig gesunken sind, sind sie dann wieder angestiegen. Umso wichtiger ist es, zu betonen, dass die einzelnen Maßnahmen – wie beispielsweise die Sozialnetz-Konferenz, die heute schon erwähnt worden ist – sehr wichtig sind. Ich glaube, niemand wird hier infrage stellen, dass es sehr wichtig ist, das soziale, familiäre Umfeld der Jugendlichen zu beachten, mitzunehmen und auch darauf achtzugeben, damit die Jugendlichen nicht wieder straffällig werden.

Auch ich möchte als zweiten Punkt auf den § 209 StGB eingehen, und zwar auf die Frage der Beseitigung der negativen Rechtsfolgen für Betroffene der sogenannten antihomosexuellen Strafgesetze. Wir wissen, dass bis vor gar nicht allzu langer Zeit homosexuelle Personen in Österreich nicht nur mit dem Strafrecht bedroht, sondern auch tatsächlich verurteilt wurden.

§ 209 StGB, der – unter Anführungszeichen – „gleichgeschlechtliche Unzucht“ mit Personen unter 18 Jahren mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestrafte, war nicht nur einfach ein Paragraf, sondern er zerstörte Leben, Beziehungen, er stigmatisierte Menschen.

Homosexuelle Beziehungen sind in Österreich seit 1971 nicht mehr strafbar, was aber seitdem galt und weiterhin aufrecht ist, ist das unterschiedliche Mindestalter für Straf­freiheit in verschiedenen Ländern. Die Folge: Jedes Jahr über 40 Strafverfahren und mehr als 30 rechtskräftige Verurteilungen. Seit Einführung des Gesetzes im Jahr 1971 wurden über 1 000 Menschen rechtskräftig verurteilt. So viel zum Ruinieren von Leben!

Das Europäische Parlament hat seit 1984 die Mitgliedstaaten wiederholt aufgefordert, einheitliche Mindestaltersgrenzen festzulegen. Es gab dazu zig Publikationen, Bücher, Stellungnahmen, es gibt eine eigene Plattform, die sich mit § 209 StGB beschäftigt. Erst 2013 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den österreichischen Gesetzgeber dazu verpflichtet, die negativen Auswirkungen einer Verurteilung gemäß des verfassungswidrigen § 209 StGB zu beseitigen.

Was ist passiert? – Das Mindeste beziehungsweise das mindestens Erforderliche ist passiert – so, als würde der Gesetzgeber es doch nicht so ganz einsehen, dass es in diesem Punkt etwas gutzumachen gäbe. Für viele Betroffene grenzt das heute fast schon an Verhöhnung, da sie ganz genau wissen, dass sie wirklich nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht nur diskriminiert und verfolgt, sondern auch verurteilt worden sind.

Wieso? – Die Tilgung selbst erfolgt auf Antrag eines Verurteilten, eines Angehörigen oder des Staatsanwaltes. Das heißt, kein einziges Urteil wird automatisch per Gesetz aus dem Strafregister gelöscht. Es wird argumentiert, dass eine Einzelfallprüfung not­wendig ist, da eine Tilgung negative tilgungsrechtliche Folgen nach sich ziehen könnte.

 


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