BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 139

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Die Staatsanwaltschaft hat die Tilgung aber jedenfalls von Amts wegen zu beantragen, wenn keine tilgungsrechtlichen Nachteile zu erwarten sind. Insofern ist grundsätzlich kein Antrag notwendig, um zu einer Tilgung zu gelangen. Darüber hinaus wird in § 3 geregelt, dass die Tilgung zu keinerlei tilgungsrechtlichen Nachteilen führen darf. Wenn ohnehin kein tilgungsrechtlicher Nachteil erfolgen darf, müsste die Staatsanwaltschaft unserer Meinung nach jedenfalls die Tilgung für alle Fälle beantragen. Es hätte also eine Aufhebung aller Urteile gebraucht, eine echte Rehabilitierung.

Die antihomosexuellen Gesetze sind klar menschenrechtswidrig. Ich glaube, die Tilgung ist auf jeden Fall ein wichtiger, richtiger Schritt, aber angesichts dessen, was viele der Betroffenen während der letzten Jahre aufgrund dieses Paragrafen erleben mussten allein die Stigmatisierung, die sie auf sich nehmen mussten –, ist das für sie natürlich nur ein ganz kleiner Schritt. Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.05


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als vorläufig Letzter in dieser Debatte zu Wort gelangt Herr Bundesminister Brandstetter. – Bitte.

 


17.06.11

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Altpräsident! Herr Prä­sident! Ich komme tatsächlich immer sehr gerne in den Bundesrat, weil ich das hochklassige Niveau der Diskussionsbeiträge hier wirklich zu schätzen weiß, und es ist vielleicht auch ein etwas kleinerer Rahmen, in dem das auch leichterfällt.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass ich heute über ein Gesetzesvorhaben sprechen darf, das mir persönlich sehr wichtig war und das, wie schon erwähnt wurde, tatsächlich auf die Empfehlungen der Expertengruppe, des sogenannten Runden Tisches zurückgeht, den meine Amtsvorgängerin aus Anlass der Misshandlung und Vergewaltigung eines Jugendlichen, der sich in Untersuchungshaft in der Josefstadt befunden hat, eingesetzt hatte.

Das war ein schockierender Vorfall, der es allemal rechtfertigt, sich wirklich ernsthaft und intensiv damit auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen man viel­leicht doch auf die Untersuchungshaft bei Jugendlichen verantwortungsvoll verzichten kann. Nun, ganz generell – und das ist ja unbestritten – wird im Bereich des Jugend­gerichtsgesetzes als Strafzweck der Spezialprävention der Vorrang eingeräumt. Das ist Allgemeingut in der gesamten Fachwelt.

Ich bin auch sehr froh darüber – Herr Abgeordneter Schennach hat es erwähnt –, dass gerade wir in Österreich schon im Jahre 1919 Vorreiter betreffend Jugendstrafrecht waren. Die Wiener Schule, Franz von Liszt und all die Namen, die damit verbunden sind: Die waren international, weltweit führend. Das ist eigentlich etwas, worauf man stolz sein kann und woran man auch anknüpfen sollte, und das tue ich sehr gerne.

Es geht darum, dass man in jedem Einzelfall versucht, die Wiedereingliederung von Jugendlichen in die Gesellschaft so rasch wie möglich sicherzustellen. Das ist das, was Sinn macht, und das ist natürlich auch die Überwindung des alten Systems des Vergel­tungsstrafrechts; das ist passé, das ist vorbei. Es wurde hier auch mit Recht gesagt, dass man damit letztlich die Probleme, die hinter diesen Delikten stehen, einfach nicht sinnvoll lösen kann. Kollege Bundesrat Fürlinger hat es gesagt, völlig richtig.

Daher ist der Kern dieser Regelung darin zu sehen, dass wir vor allem dort, wo es möglich ist, die Untersuchungshaft durch andere, alternative Maßnahmen ersetzen. Ich behaupte nicht, Kollege Raml, dass wir die Untersuchungshaft in allen Fällen ver­meiden werden können. Nein, das wird nicht gehen, aber dort, wo es möglich ist, Alternativen zu entwickeln, dort soll es gemacht werden, und dort tun wir das auch. Es bleiben immer wieder Fälle übrig, wo es leider nicht möglich ist.

 


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