BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 140

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Eines dieser wichtigen neuen Instrumente als Alternative zu einer Untersuchungshaft sind die Sozialnetz-Konferenzen, die dort, wo sie bereits eingesetzt wurden, wirklich eine sehr hohe Erfolgsquote gehabt haben und jetzt mit entsprechender gerichtlicher Kontrolle auch als Alternative zur Untersuchungshaft gesetzlich verankert werden.

Die Sozialnetz-Konferenz besteht darin, dass man beim sozialen Netz, beim Umfeld des betreffenden Jugendlichen ansetzt und versucht, die Ursachen seines strafrecht­lich relevanten Verhaltens zu klären. Da gibt es wirklich viele Fälle, wo man oft darüber staunt, dass Jugendliche, die davon betroffen sind, dann plötzlich ganz verwundert sagen: Aha, jetzt bin ich erstmals gefragt worden, was eigentlich meine Probleme sind, warum ich diese zwei Videokassetten gestohlen habe, was da mit mir los war, und weshalb ich tatsächlich einfach nicht mehr mit mir zurande gekommen bin.

Das heißt, alleine die Tatsache, dass man einmal versucht, zu hinterfragen: Hallo, was ist dein Problem? Hast du irgendwelche Schwierigkeiten?, ist der Ansatz. Man fragt: Wo kann man ansetzen? – Wenn man beim Sozialnetz des Betreffenden ansetzen kann, dann kann man auch die Ursachen seines strafrechtlichen Verhaltens am ehesten in den Griff bekommen.

Das ist genau genommen, wie auch schon gesagt wurde, kein wirklich neuer Ansatz, im Jahr 1919 war man theoretisch ja auch schon so weit, das stimmt schon. Das ist unsere Tradition, an die wir anknüpfen, und die ist erfolgversprechend. Ich kann mit einer Sozialnetz-Konferenz wirklich viel erreichen, wenn es – und das muss man auch offen eingestehen  ein soziales Netz gibt. Kann man aber an kein soziales Netz anknüpfen, weil es kein Umfeld, keine Schule, keinen Lehrherren, weil es nichts gibt, dann wird es schwierig. Das sind eben die Fälle, die uns große Probleme bereiten.

Und da muss man ganz klar sagen: Das ist kein spezifisch strafrechtliches Problem, sondern das ist im weitesten Sinn ein soziales Problem. Das zeigt aber auch, dass wir damit richtig liegen, an den sozialen Faktoren, die letztlich hinter diesem Fehlverhalten stecken, anzusetzen.

Ich erwarte mir aber auch von der Fortschreibung des Fristensystems bei der Untersuchungshaft nach Einbringung des Strafantrages oder der Anklage bei jugend­lichen Angeklagten noch einen weiteren Effekt, nämlich einen wichtigen Beschleuni­gungs­effekt für diese Verfahren. Verfahrensbeschleunigung ist immer gut, und daher wollten wir das auch speziell akzentuieren.

Die für Jugendliche und junge Erwachsene oft sehr zielführende Weisung, in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen, soll auch nicht an den Kosten scheitern, weshalb wir schon eine entsprechende Kostentragungsregelung zulasten des Bundes vorgesehen haben.

Wir wollen auch dem bekannten Phänomen der Adoleszenzkrise wie das die Fach­leute nennen – mit den vorgeschlagenen Änderungen Rechnung tragen, die ja darin bestehen, dass die Sanktionspalette auch für junge Erwachsene bis zur Vollen­dung des 21. Lebensjahres erweitert wird. Wir erweitern die Entscheidungsmög­lich­keiten der unabhängigen Gerichte und der zur Objektivität verpflichteten Staatsan­wälte. Mehr ist das nicht, aber ich glaube, es macht Sinn, diesen Organen vor allem auch den Gerichtsorganen im Interesse der Betroffenen mehr Möglichkeiten der Entscheidung zu geben, und das machen wir durch eine Angleichung der Strafuntergrenzen der jungen Erwachsenen an jene bei Jugendlichen und durch die Ermöglichung eines diversionellen Vorgehens im Sinne der Sonderbestimmungen für Jugendliche.

Die Diversion hat sich durchaus überall dort bewährt, wo sie zum Einsatz gekommen ist, daher wollen wir hier auch einen besonderen Akzent setzen. Ja, wir haben uns


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