BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 141

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wirklich an dem orientiert, was uns die Fachleute sagen, genau genommen eigentlich die Fachleute seit 1919 hier in Österreich. – Ja, das ist richtig.

Mein Gott, die Adoleszenzkrise, das ist ein Fachterminus – und das zu Recht. Viele wird es hier im Raum nicht geben, die sich noch daran erinnern können, dass die Volljährigkeitsgrenze einmal bei 21 Jahren war. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Da war man der Meinung, bis 21 ist man überhaupt nicht wirklich voll geschäftsfähig. (Bundesrat Schennach: Heiraten war auch nicht möglich!) – Ja, da war vieles nicht möglich, aber, wie gesagt, dann ist man darangegangen, das immer weiter runterzusetzen, ja, mag sein, aber ich will damit nur zum Ausdruck bringen: Das ist auch nicht bei jedem gleich. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Die Adoleszenz dauert bei manchen länger, bei manchen weniger lang, das ist nun einmal so.

Mein Gott, gerade die Jugend ist natürlich eine Zeit, in der vieles ausprobiert, vieles sozusagen auch ausgelotet wird. Mein Freund Marco Schreuder würde einen Film, den ich jetzt gerne zitieren würde, sicher kennen, aber Sie kennen ihn vielleicht auch: „… denn sie wissen nicht, was sie tun“, mit James Dean. (Bundesrat Schennach: Ja!) Der Film heißt im Original „Rebel Without a Cause“, eigentlich sagt der Originaltitel sogar mehr: ein Rebell ohne irgendeinen Grund, ja, ohne einen für die Erwachsenenwelt verständlichen Grund. Aber die Jugendlichen machen oft Dinge, die halt aus ihrer Sicht nichts anderes sind wie auch in diesem Film: Mutproben.

Es gibt in der Jugendzeit halt viele Mutproben wie in diesem Fall tragischerweise mit Autos, manchmal mit Waffen, was man dann später vielleicht auch bereut. Wie auch immer, da gibt es vieles in diesem Bereich, und als Erwachsener muss man dafür eigentlich auch Verständnis haben. Darum geht es, glaube ich: dass man einfach anerkennt, das ist eine spezielle Welt, die Welt der Jugend. Das muss man einfach fachlich und auch mit Hilfe der Experten richtig sehen.

Ich bin auch froh darüber, dass es uns jetzt gelungen ist, nicht nur das theoretische Konzept mit einer gesetzlichen Grundlage, von der ich überzeugt bin, dass sie richtig ist, zu haben. Nein, es gehört natürlich auch etwas dazu, das die Umsetzung ermög­licht. Das Jugendstrafrecht in Österreich ist, wenn Sie so wollen, ein in der Tradition schon seit 1919 stehendes besonderes Instrumentarium, das sind Flügel, wenn Sie so wollen. Aber Flügel brauchen auch ein Fahrgestell, sonst fliegt das Flugzeug nicht wirklich, und das Fahrgestell haben wir jetzt auch.

Seit 1. Jänner 2015 haben wir die Jugendgerichtshilfe ausgebaut, kürzlich konnten wir auch in Linz die Jugendgerichtshilfe eröffnen und damit den österreichweiten Ausbau letztlich abschließen. Das ist auch wichtig, dass die Umsetzung in der Praxis durch Psychologen, durch Sozialarbeiter und durch Pädagogen da ist, daher sage ich noch einmal: Ja, in vielen Fällen ist es nicht möglich, die Untersuchungshaft zu vermeiden, das ist schon klar, aber dort, wo man sie vermeiden kann, dort soll man es tun. Jetzt haben wir die Grundlagen dafür: sowohl theoretisch als auch legistisch als auch in der praktischen Umsetzung.

All diese Maßnahmen entsprechen dem klaren Ziel, jungen Menschen dort, wo es möglich ist, wo es der Einzelfall zulässt, eine zweite Chance zu geben. Die haben sie verdient! Dort, wo es möglich ist, hat es bisher auch recht gut funktioniert, daher freue ich mich über dieses Gesetzesvorhaben, und ich freue mich über Ihre Zustimmung dazu.

Betreffend Tilgungsrecht darf ich darauf verweisen, dass sexuelle Handlungen zwi­schen gleichgeschlechtlichen Personen klarerweise schon lange kein Strafdelikt mehr darstellen; es wurde gesagt, seit 1971. Entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte war daher auch sicherzustellen, dass es aufgrund


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