BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 12

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in Zeiten wie diesen mehr Zivilcourage, mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung und vor allem mehr politische Bildung brauchen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich verstehe, dass die Menschen in Österreich, dass die Menschen in Europa Angst haben. Ich persönlich habe auch Angst. Ich habe Angst, wenn es im 21. Jahrhundert noch immer Kriege gibt. Ich habe Angst, wenn vor Europa im Meer Tausende Menschen sterben. Ich habe Angst, wenn Menschen sehr unverblümt sagen, Mauthausen soll doch wieder geöffnet werden. Ich habe Angst, wenn Menschen sagen, Adolf Hitler sollte doch für drei Monate wiederkommen, und die Probleme der Welt wären aus der Welt geräumt.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich zitiere eine Presseaussendung des Maut­hausen Komitees Österreich von gestern:

„,Das NS-Verbotsgesetz ist ein Grundpfeiler unserer Rechtsordnung. Nicht wenige Richter und Staatsanwälte setzen es aber faktisch außer Kraft‘, übt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi scharfe Kritik. Er nennt konkrete Beispiele: ,Duswald verbreitet seine Hasspropaganda gegen KZ-Überlebende schon zum zweiten Mal. Das letzte Straf­verfahren hat die Staatsanwaltschaft Wien völlig unverständlicherweise eingestellt. Vom Landesgericht Wiener Neustadt wurde der Verfasser des Programms der neo­nazistischen NVP trotz wörtlicher Übernahme eines SS-Textes freigesprochen – der bestellte Gutachter war ein notorischer Antisemit. Und die Staatsanwaltschaft Linz bescheinigte einem türkischen Friseur, der mit einem fiktiven Hitler-Zitat auf Facebook den Holocaust gerühmt hatte, eine ,bloße Unmutsäußerung gegen Israel‘. Nach internationalen Protesten wurde das Strafverfahren wiederaufgenommen und führte zu einer Verurteilung. Diese Skandalliste ließe sich noch lange fortsetzen‘, so der MKÖ-Vorsitzende.

Für Justizminister Wolfgang Brandstetter findet Willi Mernyi trotzdem lobende Worte: ,Seine Haltung gegen Rechtsextremismus ist eindeutig und er hat für eine wirklich gute Reform des Verhetzungsparagraphen gesorgt. Allerdings muss es jetzt wirksame Konsequenzen geben, um die nächsten Justizskandale in Sachen Wiederbetätigung zu verhindern. Wir fordern, dass die Staatsanwaltschaften dem Ministerium über sämt­liche Verbotsgesetzfälle laufend berichten müssen, dass über solche Fälle auch die Öffentlichkeit informiert wird und dass Staatsanwälte sowie Richter in dieser Materie intensiv geschult werden. So wie bisher geht es sicher nicht weiter – das ist ein Schlag ins Gesicht der NS-Opfer und schädigt auch das Ansehen Österreichs.‘“ – Zitatende.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe Angst, wenn ich auf Facebook schaue und mir dort diverse Kommentare durchlese. Ich habe Angst, wenn ich auf verschiedene Internetforen von Zeitungen schaue und mir die dortigen Kommentare ansehe.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es darf in einem Land wie Österreich nicht sein, dass Menschen ganz unverblümt mit vollem Namen Nazidiktion verwenden! Das geht in einem Land wie Österreich nicht!

Es kann nicht sein – auch wenn Fasching ist –, dass unser Herr Bundeskanzler bei einem Faschingsumzug symbolisch aufgehängt wird! Es kann nicht sein, dass es irgendwelche Pauschalverurteilungen von Menschen gibt. Wir können nicht schwarz-weiß malen, sondern wir müssen Taten sehen.

Ich komme zu Köln. Das, was in Köln geschehen ist, ist unverzeihlich. Es ist unver­zeihlich, aber, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, da geht es um die Tat. Es geht um die Tat! Wenn Kinder, Frauen, Männer vergewaltigt werden, dann sind Verbrecher am Werk. Das darf in einem Land wie Österreich und in der Europäischen Union ganz einfach nicht passieren! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

 


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