BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 112

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Negativ zu bewerten ist die politische Einigung auf die Passagierdatenrichtlinie, die sozusagen im Nachhall zu den Pariser Anschlägen durchgewunken wurde, obwohl es in diesem Fall keine Flugreisen betroffen hat. Es handelt sich dabei um eine Form der Vorratsdatenspeicherung, die wir ablehnen und auch für grundrechtswidrig halten. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Ansonsten liest sich der Aktionsplan wie eine lange liegengebliebene To-do-Liste. Da geht es zum Beispiel um das Fortsetzen der Arbeit der europäischen Migrations­agenda. Das ist bekanntlich nichts Neues, daran wird seit Jahren gebastelt.

Das Vorhaben, das europäische Asylsystem neu aufzusetzen, unterstützen wir natür­lich, wobei Österreich ganz stark in der Verantwortung ist, diese europäische Asyllö­sung auch zu unterstützen.

Was die Überprüfung der Blue-Card-Richtlinie anlangt, so ist auch diese schon länger notwendig, da sie bekannterweise nie wirklich angenommen worden ist.

Dann zu Dublin, das heute auch schon kurz erwähnt wurde: Es soll in Bezug auf unbegleitete Minderjährige eine Überarbeitung stattfinden. Österreich beziehungsweise die österreichische Regierung ist wie in den meisten Fällen auch da für eine Verschärfung. Fakt ist aber: Dublin ist mittlerweile endgültig gescheitert, und wir sind der Meinung, dass es, anstatt auf einem toten Pferd sitzen zu bleiben, notwendig wäre, dass die EU und auch Österreich endlich an einem gemeinsamen solidarischen Asyl­system arbeiten, das eine faire und verhältnismäßige Aufteilung auf alle 28 Mitglied­staaten vorsieht. Alles andere, und das wissen wir, verlängert nur die absurde Hin-und-her-Schieberei von Asylsuchenden innerhalb der EU, ohne dass damit ein einziges Problem gelöst wird.

Es soll weiters gemeinsam mit den Behörden der jeweiligen Länder aus Frontex hervorgehend ein europäischer Grenz- und Küstenschutz errichtet werden, der die Schengen-Außengrenzen stärker als bisher abriegeln soll. Regelmäßige Einreisekon­trollen auch von EU-Bürgern und -Bürgerinnen an den Außengrenzen sind angedacht. Auch diesen Vorschlag begrüßt die österreichische Regierung. Das ist für uns genauso wenig überraschend, wie es für Sie wenig überraschend sein wird, dass unser Standpunkt hier ein ganz anderer ist, denn wir vertreten die Meinung, dass genau diese Kontrollen nicht notwendig wären, wenn es Flüchtenden möglich wäre, legal einzureisen. Das würde nicht nur Menschenleben retten und das Schlepperwesen trockenlegen, sondern auch die immensen Grenzschutzkosten, von denen wir heute schon gehört haben, minimieren.

Man will auch verstärkte Schutzregelungen in der Nachbarschaft der EU unterstützen, damit die Flüchtenden gleich dort bleiben. Angesichts der so gut wie nicht vorhan­denen Zahlungsmoral bei bisherigen Hilfeaufrufen zum Beispiel des World Food Pro-gramme oder von UNHCR in Krisengebieten und in den Nachbarstaaten von Syrien, ist das mehr als unglaubwürdig. Auch Österreich hat 2015 kein Geld dafür überwiesen.

Ja, die Türkei war auch schon ganz kurz Thema. Das, was im Aktionsplan vorgesehen ist, macht diese endgültig zu einer Art Gatekeeper der EU, was angesichts der menschenrechtlichen Situation in der Türkei nicht nur äußerst bedenklich ist, sondern auch noch dazu führt, dass die Türkei Menschen nicht nur wegsperrt, sondern die Schutzsuchenden auch von einem fairen Asylverfahren fernhält. Wie wir wissen, häufen sich schon jetzt Berichte über Rückführungen von Flüchtlingen aus der Türkei in syrische Kriegsgebiete, und es ist auch schon bekannt, dass die Türkei die Grenze zu Syrien immer mehr abriegelt und Flüchtende gar nicht erst reinlässt.

Eine europäische Politik, die so agiert, die in Krisensituationen nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ vorgeht, betreibt nichts anderes als eine Vogel-Strauß-Stra-


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