BundesratStenographisches Protokoll851. Sitzung / Seite 24

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und kein innerösterreichischer Fluss mehr, und Salzburg hörte auf zu existieren. Wir wurden ein Anhängsel von Oberösterreich und von Linz aus regiert.

Es dauerte bis 1850, also länger als eine Generation, bis Salzburg wieder eigenes Kronland wurde, und noch einmal 18 Jahre, bis es den ersten frei gewählten Landtag gab, gewählt von ungefähr 10 Prozent der Bevölkerung, denn mehr waren nicht wahl­be­rechtigt.

In den schrecklichen Jahren der Franzosenkriege, in denen das Land ein Drittel der Bevölkerung verlor – im Jahr 1816 gab es 220 Hungertote –, ist aber, vielleicht trotz oder wegen dieser Instabilität, so etwas wie ein Landesbewusstsein entstanden, das es vorher in dieser Form nicht gab.

Ich nehme als Beispiel dafür Mozart. War Mozart ein Salzburger? Sein Vater kam aus Augsburg, blieb in Salzburg hängen. Mozart wurde da geboren, war mehr als zwei Drittel seines Lebens nur unterwegs, in ganz Europa, ist dann nach Wien und nach Prag gegangen. Was er von den Salzburgern gedacht hat, ist in seinen Briefen gut dokumentiert. Ich glaube, er hätte die Frage gar nicht verstanden, ob er Salzburger ist oder nicht.

Noch 1825 kommt Schubert nach Salzburg, beschreibt die schreckliche Lage: Resi­den­zen von Bettlern bewohnt, das Gras wächst auf allen Straßen und auf allen Plätzen. Schubert besucht das Grab von Michael Haydn, vergießt dort eine Träne – und erwähnt Mozart mit keinem Wort, obwohl damals noch die Schwester und die Witwe von Mozart dort gewohnt haben. Man unterstellt ihm, er hätte nicht gewusst, dass Mozart ein Salzburger war. Ich glaube nicht, dass das der Tatsache entsprach. Es war ihm schlicht wurscht. Es war sozusagen nicht Identifikationsmerkmal für diesen Mann oder eine wesentliche Information zu seiner Person.

20 Jahre später errichtet man Mozart ein Denkmal in Salzburg. Der Heilige Michael muss dafür gehen. Das war den Leuten gar nicht recht: Michel, du musst gehen, der Mozart will da stehen! Also die Bevölkerung hatte das noch nicht wirklich mitgemacht. Mozart steht auf diesem Denkmal mit dem rechten Fuß auf einem Felsen, um seine Heimatverbundenheit damit zum Ausdruck zu bringen. Mit dieser seiner Heimatver­bundenheit machen wir seither auch sehr viel Geschäft, und diese ist für Salzburg und die Identität Salzburgs auch sehr wichtig.

Mit diesem sich entwickelnden Landesbewusstsein geht natürlich auch das wachsende Nationalbewusstsein im 19. Jahrhundert einher, ein Bewusstsein, das zu diesem schrecklichen Zusammenbruch im Ersten Weltkrieg führte, das zu den großen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts geführt hat. Aber es war auch Teil dieses Bewusstseins, dass 1920 in Salzburg die Bundesländer sich in das neue Österreich eingebracht haben beziehungsweise dieses konstituiert haben, nachdem es gelungen ist, 1919 endlich ein allgemeines Wahlrecht zu haben.

Noch ein kleiner historischer Sidestep: Stefan Zweig, der erfolgreiche Schriftsteller, kaufte 1917 in Salzburg ein Haus, in dieser verschlafenen kleinen Stadt, als Rückzugs­ort. Die Verschlafenheit hörte auf mit der Gründung der Festspiele wenige Jahre später, durch Wiener. Im Sommer wurde Salzburg dann zu dem Treffpunkt der euro­päischen Intelligenz und der europäischen Kunstschaffenden, wurde zur Weltstadt. Sehr schön nachzulesen in der Autobiographie von Zweig, die nach seinem Tod, nach seinem Selbstmord in Brasilien 1944 veröffentlicht wurde. Diese Autobiographie trägt den Titel „Die Welt von Gestern – Erinnerungen eines Europäers“, bezieht sich auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, in der Stefan Zweig selbstverständlich in ganz Europa reiste und auch lebte, in einem riesigen Schengen-Raum, würden oder könnten wir heute sagen, ohne dass es so etwas wie einen Pass gegeben hätte. So etwas war ihm völlig unbekannt, brauchte man damals nicht.

 


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