BundesratStenographisches Protokoll851. Sitzung / Seite 84

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Dieser Bericht befasst sich eben mit der Vergangenheit. Natürlich gab es seit dem Jahr 2014 enorme Entwicklungen. Auch mein Vorredner hat schon sehr stark Bezug auf die Jetztzeit genommen, und ich glaube, dass wir die Zeit hier auch dafür nützen sollten, um über aktuelle Herausforderungen zu sprechen. Im nächsten Tagesord­nungspunkt geht es übrigens um die Zukunft, nämlich um die nächsten 18 Monate im EU-Arbeitsprogramm.

Wenn man jetzt nochmals einen kurzen Rückblick macht, dann muss ich sagen: Nicht das Jahr 2014, sondern das Jahr 2015 wird, meine ich, als eine echte Zäsur in die Geschichte unseres Landes eingehen, als ein Epochenjahr, als ein Jahr, in dem sich quasi die Fundamente verschoben haben. Im Jahr 2015, angesichts der Flüchtlings­krise wurde einem vor Augen geführt, dass das Chaos nicht mehr irgendwo weit fern draußen in der Welt ist, sondern dass es mitten hinein kommt in unsere wohlgeordnete Republik und mitten vor unserer Haustür quasi auch haltmacht.

Das zeigt, dass sich kein Land auf dieser Welt von den Krisen und Katastrophen irgend­wo auf einem anderen Kontinent mehr abkoppeln kann. Viele Bedrohungen kommen in Form von Terrorismus, mit den vielen Konflikten direkt an der Außengrenze Europas: Die Ukraine habe ich schon erwähnt, da geht es aber auch um Nordafrika und natürlich auch um Syrien.

In einer globalisierten Welt gibt es keinen voll akklimatisierten Rückzugsort mehr. Die Vorstellung, Österreich, Mitteleuropa oder vielleicht ganz Europa könne so quasi ein stiller Garten sein inmitten des durchaus großen Durcheinanders auf dieser Welt, vor allem auf anderen Kontinenten, diese Vorstellung hat sich endgültig als Illusion erwie­sen. In einer derartigen Zeit ist die Politik besonders gefordert, und in einem außeror­dentlichen Ausmaß ist die Außenpolitik gefordert.

So wie es einst ein deutscher Verteidigungsminister – das liegt schon Jahre zurück, ich weiß nicht mehr genau, wer es war – gesagt hat, die Verteidigung Deutschlands beginnt am Hindukusch, so kann man abgewandelt davon sagen: Die Zukunft unseres Landes, auch die Absicherung unseres Wohlstandes und die Gewährleistung der Sicherheit beginnt natürlich bei einer effektvollen und strategischen Außen- und Europapolitik. Also der Wohlstand der Zukunft hängt auch massiv von unseren außen­politischen Aktivitäten ab.

Es ist ja unser großer Auftrag in der Politik – zumindest verstehe ich meine Rolle so –, egal, in welcher Funktion, alles zu unternehmen, damit unsere Kinder einmal als Erben zu sehen sind und nicht als Hinterbliebene, nämlich als Erben eines florierenden, eines prosperierenden Landes, wo Wohlstand und Sicherheit herrschen, mit vielen Chancen, und nicht als Hinterbliebene einer zerrütteten oder devastierten Europäischen Union oder eines zerrütteten Europas. Eine der großen Künste der Außenpolitik ist es schlussendlich, Entwicklungen vorherzusehen und wenn möglich auch mit konkreten Aktivitäten zu antizipieren.

Meine Damen und Herren, es ist ein besonderes Verdienst unseres Herrn Außen­ministers – und das ist wohl auch der Grund, meine ich, für seine internationale Popularität –, bereits zu Beginn der massiven Flüchtlingsströme auf mögliche Entwick­lungen und überdimensionale Auswirkungen hingewiesen zu haben, darauf, dass diese Form der Willkommenskultur, die in Mitteleuropa ihren Ursprung nahm, auch eine Sogwirkung in einer sehr schwierigen weltpolitischen Lage hervorrufen wird und dass diese Flüchtlingsströme weit über das hinausgehen, was eigentlich in der UN-Flüchtlingskonvention niedergeschrieben ist, weil es eben auch andere Gründe gibt, warum sich Menschen auf die Reise machen.

Auf der Flucht zu sein und einen sicheren Ort zu suchen, ist natürlich die eine sehr wich­tige Perspektive. Es werden aber in wenigen Ländern dieser Welt, gezielt in Mittel-


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